"Bella Figura" bei den Ruhrfestspielen Nina Hoss mal als erniedrigte Geliebte

Recklinghausen · Bei den Ruhrfestspielen ist jetzt Yasmina Rezas neues Stück "Bella Figura" zu erleben. Nina Hoss und Mark Waschke zerfleischen sich mit größter Lust an der Hässlichkeit des Seins – und Reza legt den nächsten Theater-Blockbuster vor.

Nina Hoss und Mark Waschke in Yasmina Rezas "Bella Figura"
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Nina Hoss und Mark Waschke in "Bella Figura"

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Bei den Ruhrfestspielen ist jetzt Yasmina Rezas neues Stück "Bella Figura" zu erleben. Nina Hoss und Mark Waschke zerfleischen sich mit größter Lust an der Hässlichkeit des Seins — und Reza legt den nächsten Theater-Blockbuster vor.

Roman Polanski hat ein feines Gespür für das Böse, das in allem Komischen steckt. Gute Witze sind nie nett. Darum hat er wohl Gefallen gefunden an Yasmina Reza, der französischen Dramatikerin, der Blockbuster-Autorin des Theaters. Und so hat Polanski aus ihrem bekanntesten Bühnenwerk "Der Gott des Gemetzels" einen brillanten Film gemachen. Er musste nur vier Hollywood-Stars in ein gediegenes New Yorker Wohnzimmer sperren und zusehen, wie sie die Fassung verlieren. Eigentlich wollen die beiden Paare ja nur einen Streit ihrer Kinder beilegen. Der eine Sohn schlug dem anderen einen Zahn aus, nichts, über das kultivierte Menschen sich nicht einigen könnten. Doch bald geht es um Lebensentwürfe, um die heimlichen Vorhaltungen zwischen Paaren, um Heuchelei, Kränkungen, verdrängte Wut. Und schon kotzt Kate Winslet auf kostbare Kunstkataloge, beschmutzt die Auslegeware bürgerlicher Zivilisiertheit.

Yasmina Reza liebt solche Szenen. Unerbittlich seziert sie die verdeckten Machtkonstellationen zwischen Paaren, schafft Situationen, in denen sich Menschen bis aufs Blut reizen, ihre Abhängigkeiten und Verletzungen entblößen, zum unschönen Kern ihres Miteinanders vordringen. So hat sie die Boulevardkomödie in die Gegenwart gerettet. Manche vergleichen sie mit Tschechow.

Auch in ihrem neuen Stück "Bella Figura", das der Berliner Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier bei ihr in Auftrag gab, und das gerade bei den Ruhrfestspielen zu sehen ist, schafft sie eine prekäre Ausgangslage zwischen zwei Paaren. Unternehmer Boris, der gerade vor der Pleite steht, betrügt seine Frau seit Jahren mit Andrea, einer alleinerziehenden Apothekenangestellten. Mark Waschke und Nina Hoss geben dieses Paar, das längst im Zerfleischungsstadium seiner Beziehung angekommen ist, mit größter Lust am hässlichen Miteinander. Durch einen leichten Unfall geraten die beiden an die beste Freundin von Boris' Frau samt deren Mann und Schwiegermutter. Widerwillig will man auf den Schreck einen Drink nehmen. Schon hat Reza wieder höfliche Menschen in einer Situation gefangen, in der es gesittet zugehen soll — und alles gelogen ist.

Nun schnurren die Dialoge, erhebt sich die moralisch überlegene Frau über die kleine Geliebte, gibt der Fachanwalt dem gescheiterten Unternehmer demütigende Ratschläge. Schon geht es wieder um Anerkennung und Kränkung — und um die Macht von Wörtern, die, einmal ausgesprochen, die Wirklichkeit vergiften. "Warum sind wir nicht einfach alle fröhlich, es ist doch Sommer", seufzt Nina Hoss einmal, als die Figuren mal wieder Luft holen müssen nach all den Bösartigkeiten, die sie einander zugemutet haben. Ja, warum nur? Um diese Frage und die Vergeblichkeit des modernen Seins kreisen Rezas Stücke.

"Bella Figura" ist kein großer Wurf. Nur eine Variation des "Gemetzels". Und doch sind Rezas Dramen nie nur zynisches Amusement. Ihre Grundierung ist die Melancholie, die Ahnung, wie lächerlich die Versuche des Menschen sind, die eigene Endlichkeit zu verdrängen — und sei es im eifrigen Gefecht der Geschlechter.

(dok)
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