Berlin Berlinale gibt sich politisch - und vergnüglich

Berlin · Mit dem französischen Film "Django" über den Gypsy-Swing-Gitarristen Django Reinhardt beginnen heute die 67. Filmfestspiele.

Großereignisse im Film- und Showgeschäft werden derzeit akribisch auf ihre politische Bekenntnisbereitschaft abgeklopft. Gute Zeiten also für die Berlinale. Die hat sich immer als das politische der großen Filmfestivals verstanden und das bisweilen durch den Mut zum problembeladenen Überlängenfilm dokumentiert. In diesem Jahr könnte es überraschend vergnüglich zugehen. Politischer Pessimismus und wirtschaftliche Krise sind längst angekommen bei den Filmemachern - doch die lassen das Tragische munter ins Tragikomische kippen. Schließlich hat das noch immer am meisten geschmerzt.

So werden in den 18 Filmen des Wettbewerbs einige Lebenswege harte Brüche erfahren, durch persönliche wie ökonomische Krisen. Doch die Absturzängste der Mittelschicht werden auf ihren utopischen Gehalt befragt wie in dem portugiesischen Drama "Colo" oder genüsslich ins Absurde gesteigert wie im Regiedebüt des österreichischen Kabarettisten Josef Hader "Wilde Maus". Einige Familientreffen werden aus dem Ruder laufen wie in Oren Movermans "The Dinner " mit Laura Linney und Richard Gere oder in Sally Potters "The Party" mit Bruno Ganz. Und Aki Kaurismäki lässt einmal mehr einen einsamen Menschen in Finnland stranden, um durchzuspielen, wie es wäre, wenn die Menschen menschlich miteinander umgingen.

Eine politische Botschaft - zu hinreißender Musik verspricht auch der französische Film, der die 67. Berlinale heute Abend eröffnet: "Django" führt ins besetzte Paris des Jahres 1943. Der Gypsy-Swing-Gitarrist Django Reinhardt muss entscheiden, ob er sich für Propagandazwecke in Nazi-Deutschland missbrauchen lässt oder zum Flüchtling wird. Regie führte Etienne Comar, der bisher als Drehbuchautor erfolgreich war und etwa mit "Von Menschen und Göttern" gezeigt hat, dass er Schicksalsgeschichten in brisanten Zeiten ohne Gefühlsduselei erzählen kann.

Drei deutsche Regisseure haben es in den Wettbewerb geschafft: Volker Schlöndorff kehrt zurück in den Kosmos seines Schriftsteller-Freundes Max Frisch und zeigt eine Adaption der Erzählung "Montauk" mit Nina Hoss und Stellan Skarsgård. Thomas Arslan erzählt in "Helle Nächte" eine dramatische Vater-Sohn-Geschichte in spektakulärer Landschaft. Und Andres Veiel überzeugte die Programm-Kuratoren mit einem Dokumentarfilm: "Beuys" ist eine Auseinandersetzung mit den Ideen des Aktionskünstlers Joseph Beuys. Bisher hat Veiel in seinen Dokus vor allem durch starke Momente in Gesprächen mit Zeitzeugen überzeugt. Diesmal hat er vorwiegend Archivmaterial montiert. Beuys soll für sich sprechen.

Auch in den vielen Nebenreihen und unter den Wettbewerbsfilmen, die außer Konkurrenz laufen, sind wieder Entdeckungen zu machen: Danny Boyle schenkt seinem Kultfilm "Trainspotting" einen zweiten Teil: 20 Jahre nachdem Mark seine Freunde bei einem Heroin-Deal betrogen hat, um dem Junkie-Milieu zu entkommen, kehrt er nach Edinburgh zurück - und alle Darsteller von einst sind wieder dabei.

Geoffrey Rush wird als der Bildhauer Alberto Giacometti zu erleben sein. Matti Geschonneck hat den Eugen-Ruge-Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts" verfilmt, Moritz Bleibtreu spielt in "Es war einmal in Deutschland . . ." einen jüdischen Unternehmer im Wirtschaftswunder-Deutschland, und August Diehl wird in "Der junge Karl Marx" den aufstrebenden Philosophen verkörpern, der auf seinen wichtigsten Gefährten trifft - Friedrich Engels. Der frühe Termin im Jahr ist ein Vorteil der Berlinale, doch Cannes bleibt das bevorzugte Festival der großen Autorenfilmer. Die Berliner Gästeliste war schon glamouröser, doch die Zeiten auch schon mal unbeschwerter. Vielleicht passt der unterhaltsame Ernst, den die Berlinale in diesem Jahr anstrebt, am Ende in die Zeit.

(dok)
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