Gerhard Finckh Und David Liot Bilder des Krieges als Zeichen der Aussöhnung

Die Museumsleiter aus Wuppertal und Reims, Gerhard Finckh und David Liot, zur deutschen-französischen Kunstausstellung über den Ersten Weltkrieg.

Wuppertal / Reims Unter dem finsteren Titel "Menschenschlachthaus" wird das Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum noch bis Ende Juli Kunstwerke und Filmbilder über das Grauen des Ersten Weltkriegs zeigen - viele davon stammen aus dem Museum für Schöne Künste in Reims. Unter anderem sind berühmte Gemälde von Max Beckmann und Otto Dix ("Selbstbildnis als Soldat") zu sehen, von Oskar Kokoschka und Gert Wollheim. Ein Saal widmet sich der Kooperationsstadt Reims, die als erste französische Großstadt dem Bombardement deutscher Truppen ausgesetzt war. Dabei wurde auch die berühmte Kathedrale stark beschädigt. Ein berühmtes Gemälde von Gustave Fralpoint hält die dramatische Feuersbrunst fest. Das Besondere: Die Ausstellung entstand als Gemeinschaftswerk und wird im Herbst im Musée des Beaux Arts in Reims zu sehen sein. Wir unterhielten uns mit den Direktoren der Museen, David Liot und Gerhard Finckh.

Eine gemeinsame deutsch-französische Ausstellung über den Ersten Weltkrieg - wer von Ihnen beiden hat diese Idee gehabt?

Finckh Das war mein Kollege aus Reims. Ganz ehrlich, ich wollte zuerst gar nichts über den Ersten Weltkrieg machen. Ich hatte Sorge, dass wir damit im großen Gedenkjahr 2014 das Publikum langweilen würden. Zum Glück hat David Liot mich umgestimmt. LIOT Stimmt, aber die Idee, diese Ausstellung zu einer Gegenüberstellung von Kunst aus beiden Ländern zu machen, ist mir dann erst hier in Wuppertal gekommen. Wir mussten dafür in Reims erst unsere umfangreiche Kollektion mit Motiven zum Ersten Weltkrieg sichten, insgesamt rund 4000 Kunstwerke, darunter sehr viele Zeichnungen, die übrigens in 100 Jahren nie wirklich erschlossen worden sind. Das sagt schon viel über die lange Zeit verdrängte Erinnerung an den Konflikt. Das gilt ganz besonders in Reims.

Warum das?

Liot Wissen Sie, in Reims gibt es fast so etwas wie eine Obsession der deutsch-französischen Aussöhnung. Ich meine das überhaupt nicht negativ. In der Kathedrale von Reims haben sich General de Gaulle und Konrad Adenauer 1962 getroffen, um diese Aussöhnung vor aller Welt zu demonstrieren. Das war ein sehr starkes Symbol. Reims ist in seinem Selbstverständnis spätestens seither eine dem Frieden ganz besonders verpflichtete Stadt. Deswegen ist ein so düsterer Ausstellungstitel wie "Menschschlachthaus" hier in Wuppertal möglich. FINCKH Ich bin sicher, auch bei uns wird sich der eine oder andere daran stoßen! LIOT Aber in Reims wäre er auf völliges Unverständnis gestoßen. Wir haben "Tage des Kriegs und des Friedens gewählt", schließlich zeigt die Ausstellung ja auch die Jahre vor und nach dem Krieg.

Gibt es noch weitere Ausstellungs-Rücksichten auf die jeweiligen Befindlichkeiten?

Liot Nicht auf die Befindlichkeiten, aber auf den unterschiedlichen Kenntnisstand. In Reims werden wir zum Beispiel die Ausstellung eingangs mit zusätzlichen Informationen über den deutsch-französischen Krieg von 1870/71, die Annexion von Elsaß-Lothringen und den daraus resultierenden Deutschland-Hass vieler französischer Künstler versehen. Das muss man wissen, um den glühenden Patriotismus zu verstehen, mit denen einige dieser Intellektuellen in den Krieg zogen. Finckh Und wir müssen mit Blick auf unser Publikum Rücksicht darauf nehmen, dass der Zweite Weltkrieg den Ersten Weltkrieg in Deutschland noch sehr viel stärker überlagert hat als in Frankreich. Das hat vor allem damit zu tun, dass dieser Konflikt Deutschland selbst und auch die Zivilbevölkerung direkt getroffen hat, während die Kampfhandlungen zwischen 1914 und 1918 ja im Wesentlichen außerhalb des Reichsgebiets stattfanden.

100 Jahre danach - wie würden Sie heute einem Jugendlichen erklären, dass dieser ferne Krieg heute durchaus noch Bedeutung für uns hat?

Finckh Ich würde ihn vielleicht auf die aktuelle Situation in der Ukraine ansprechen und auf die irrige Vorstellung, man könne ein solches Problem mit einem "kleinen Krieg" ganz schnell lösen. So etwas hat man 1914 im Fall von Serbien auch geglaubt. LIOT Ich glaube, es wäre viel gewonnen, wenn man den Jugendlichen einen kritischen Umgang mit der Flut von Kriegsbildern vermitteln könnte, zu der sie heute vor allem über das Internet Zugang haben. Wenn sie begreifen würden, was diese Bilder in der Realität bedeuten. Die vielen Fotos und Filmaufnahmen, die jetzt im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg gezeigt werden, teils zum ersten Mal, haben da eine unmittelbare Wirkung. Sie wirken authentisch. FINCKH Mir ist bei der Verwirklichung unserer Ausstellung erst wirklich klar geworden, wie begrenzt die Möglichkeiten der Malerei sind, die schreckliche Realität des Krieges zu transportieren. Es wird sofort augenfällig in der Konfrontation mit den bewegten Filmbildern.

Können Sie sich vorstellen, dass sich das Konzept der deutsch-französischen Schau auch auf den Zweiten Weltkrieg übertragen lässt?

Liot Der Zweite Weltkrieg? Dafür ist es vielleicht noch etwas zu früh. Bisherige Versuche in diese Richtung, etwa im Pariser Centre Pompidou, sind ja nicht ganz zu Unrecht scharf kritisiert worden. Der Erste Weltkrieg, das liegt nun 100 Jahre zurück. Das ist ein irgendwie beruhigender, ein sehr hilfreicher Abstand. Direkte Augenzeugen gibt es nicht mehr, das Ganze ist im wahren und besten Sinne des Wortes Geschichte. Man kann jetzt ganz unbefangen damit umgehen. FINCKH Und genau das haben wir getan!

MATTHIAS BEERMANN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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