Düsseldorf Bryan Ferry hält auf seinem neuen Album die Zeit an

Düsseldorf · Es ist natürlich durchaus gerechtfertigt, Bryan Ferry vorzuwerfen, er würde sich bloß noch wiederholen. Gerecht ist es indes nicht, denn genau darum geht es ja in seinem Werk: dasselbe Lied noch einmal aufnehmen und noch einmal, es möglicherweise minimal zu variieren, vielleicht in Nuancen sogar besser zu machen. Bryan Ferry will die Zeit dehnen; den Staub auf den Dingen findet er ebenso interessant wie die Dinge selbst. Und was gibt es Schöneres, als mit einem Glas Rotwein in der Hand einer Rose beim Welken zuzusehen.

"Avonmore" heißt die aktuelle Platte. Würde man sie jemandem vorspielen, der nicht weiß, dass der 69-Jährige etwas Neues aufgenommen hat, er würde tippen, sie sei irgendwann zwischen 1982 und 1985 produziert worden, also nach "Avalon", dem letzten Album von Ferrys Band Roxy Music, und vor "Girls & Boys", seinem besten Soloalbum.

Man nehme nur mal das Eröffnungslied, es heißt "Loop De Li". Man stellt sich Ferry dazu in einem abgedunkelten Raum vor, er singt mit abgespreiztem kleinen Finger von der Sehnsucht, von Vergeblichkeit und langer Weile: "There's No One To Turn To / Nowhere To Hide / Deep River, Cool Water / Your Love Has Died". Und eigentlich singt er gar nicht, sondern seufzt und atmet rhythmisch - scheinbar gebeugt vom Sentiment. Er wischt mit einem samtenen Tuch über seine Stimmbänder, und vielleicht denkt er in Wirklichkeit bereits darüber nach, welches Einstecktuch man mit einem petrolfarbenen Cordanzug kombinieren kann und wann er mit seinen aristokratischen Freunden wieder zur Fuchsjagd gehen darf.

Johnny Marr von den Smiths spielt Gitarre, Nile Rodgers von Chic lässt es sacht grooven, und Marcus Miller zupft den Bass. "Midnight Train" und "Soldier Of Fortune" sind ebenfalls großartig. Letzteres, weil sich Ferry darin als "Botschafter des Schmerzes" bezeichnet und das so schön passt. Es gibt auch eine Coverversion von Robert Palmers Hit "Johnny And Mary", die unfassbar toll ist, weil Ferry das Original verlangsamt, es beinahe zum Stillstand bringt. Der norwegische Produzent Todd Terje legt sanft flackernde Synthiesounds unter Ferrys Gesang, und man möchte von nun an nur noch diese Version des Stücks hören.

Der Rest ist delikate und mitunter etwas gediegene Besitzstandswahrung. Der Gentleman Ferry weiß halt: In alten Ledersesseln sitzt es sich am Gemütlichsten. Und gut aussehen kann man darin auch.

(hols)
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