Mit neuem Roman "Inferno" auf Lesetour Dan Brown und das Bestseller-Prinzip

Köln · Der US-Autor bereist mit neuem Roman "Inferno" Europa, eine Station: Köln. Die Besichtigung eines Erfolg-Konzepts.

Der schlanke Mann mit dem blonden, schütteren Haar würde in der Straßenbahn nicht auffallen. Vielleicht ein Büromensch, verheiratet, zwei Kinder, ein fast abbezahltes Reihenhaus. Aber der Mann, auf den diese Beschreibung zutrifft, ist Dan Brown — einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Welt. Seine Bücher wie "Illuminati", "Sakrileg" und "Das verlorene Symbol" sind Weltbestseller geworden. Allein "Sakrileg" wurde in über 45 Sprachen übersetzt und weltweit 60 Millionen Mal verkauft. Der Zauber solcher Lesermassen reicht, um auch den neuen, vor zwei Wochen erschienenen Thriller "Inferno" alle deutsche Bestsellerlisten anführen zu lassen.

Jetzt ist der US-Autor mit dem neuen Buch auf Europatour, eine Station ist Köln. Dass er die Domstadt bereist, ist Glück, denn dort sitzt sein deutscher Lizenzverlag Bastei Lübbe.

Dass dieser Einer-wie-wir-Typ sagt, Schreiben sei für ihn harte Arbeit, hört man gern. Das ist Teil eines Erfolgskonzepts. Auch hat Brown keineswegs eine ungebrochene Arbeitsbiografie: nach seinem Uni-Abschluss ist er einige Jahre als Liedermacher durchs Land getingelt; seinen Lebensunterhalt hat er nebenher als Englischlehrer bestritten. Solche Aschenputtel-Geschichten lieben wir, sie sind Märchen unserer Zeit, und Joanne K. Rowling ist ihre ungekrönte Königin.

Ein Bestsellerrezept? Nein, das gäbe es natürlich nicht, sagt Brown. Er behauptet es zumindest. Aber es gibt literarische Strickmuster. Da ist zunächst die Sprache, die wie bei vielen Bestsellern drei Kriterien erfüllt. Sie muss einfach, einfach und einfach sein. Als seien die Sätze durch den Windkanal gegangen, hat der deutsche Autor und Büchner-Preisträger Martin Mosebach gespöttelt. Wer einen Thriller liest, honoriert keine wortakrobatischen Höchstleistungen. Er will Spannung, liebt ein hohes Lesetempo und vor allem eine geheimnisvolle, aber potenziell wahre Geschichte. Es gibt Thesen, nach denen die Dramaturgie von Bestsellern dem Muster von Computerspielen ähneln sollen.

Der Schriftsteller aus New Hampshire setzt auf historische Stoffe und ist damit nicht sonderlich originell. In den 1980er und -90er Jahren waren die Autoren mit Science-Fiction-Geschichten vom Morgen besessen; im 21. Jahrhundert sind sie es vom Gestern. Für "Inferno" hat Brown sich von Dantes "Göttlicher Komödie" inspirieren lassen; jetzt steht die Bedrohung der Welt durch Überbevölkerung auf dem Spiel.

Aber Brown gibt nebenbei Einblicke in die Kunst- und Literaturgeschichte eines Landes und einer Epoche. Herausragende Bauwerke faszinieren ihn. Er möchte unterhalten, nicht belehren. Er ist ein pingeliger Rechercheur und alles, was sein Held, der Symbolforscher Robert Langdon, macht, unternimmt zuvor auch sein Schöpfer. Niemals vertraut er dem Internet. Die wahrhaftigsten Quellen seien immer noch die Menschen, sagt er, ihre Geschichten und Erinnerungen.

Für "Inferno" war Brown in Florenz, Venedig, Istanbul. Ein großes Recherche-Team — wie es etwa Ken Follett unterhält — hat er nicht. "Ich muss es früher oder später ja doch selber wissen." Das Team Brown sind er und seine Frau Blythe.

Seine Leser möchte er zum Nachdenken anregen und möglichst auch zum Handeln. Und tröstlich sollte das Ganze auch noch sein. Der immer gleiche Cocktail, kein großer Wein. Mag sein, dass die meisten Dan-Brown-Werke die erste Generation ihrer Leser nicht überleben werden. Aber es kommt nicht auf den Klassiker-Status an, sondern nur auf die Gegenwart.

Und in der ist Dan Brown "der Boss", wie er sagt. Seine Personen dürften schon mal eine Idee haben, aber nicht machen, was sie wollen. Wer allzu keck würde, müsse den Romantod fürchten. Bevor Brown mit einem Buch beginnt, kennt er das Ende. "Es wäre ja furchtbar, nach drei Jahren Arbeit festzustellen, dass einem kein passender Schluss einfällt."

In Köln lauschen 1200 Zuhörer im Maritim-Hotel seinen Worten. Und das ist eine Sensation; weil Dan Brown überhaupt zum ersten Mal eine Lesereise unternimmt. Nur vier Termine gibt es für Europa. Wer ein Ticket für Köln ergattert hatte, durfte sich wie ein Auserwählter fühlen. Doch eine Lesung aus "Inferno" wird es nicht. Vorgetragen hat allein der Kölner Schauspieler Gerd Köster. Drei Passagen aus "Inferno".

Eine Enttäuschung wird der Abend mit dem 48 Jahre alten Schriftsteller dennoch nicht: Dan Brown in bester Laune, witzig, schlagfertig und charmant. Er macht zwar keinen Hehl daraus, dass er die öffentliche Präsentation nicht sonderlich schätzt, aber das sagt er so nett, dass niemand ihm böse sein kann. "Ich bin nicht scheu. Ich lebe nur mit meiner Frau sehr zurückgezogen." Sie seien Landmenschen, die lieber in New Hampshire, Neuengland, sind als in New York.

Dan Brown, die Bestsellermaschine, ist weder Diva noch verklemmter Dichterfürst. Und obwohl er versichert, dass er beim Schreiben nie an eine mögliche Verfilmung denke, lassen sich auch bei "Inferno" viele starke Bilder und etliche filmische Szenen entdecken. Das Buch "The Da Vince Code" — deutscher Titel "Sakrileg" — wurde mit Tom Hanks in der Rolle von Robert Langdon verfilmt. Auf die Frage, ob "Inferno" ebenfalls auf die Leinwand komme, antwortete er fast symbolhaft. "Ich habe zugestimmt, eine entsprechende Ankündigung gegebenenfalls der Firma Sony Pictures zu überlassen."

(RP/felt/jco)
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