"Wer die Nachtigall stört" Schriftstellerin Harper Lee mit 89 Jahren gestorben

New York · Die Schriftstellerin Harper Lee, die mit "Wer die Nachtigall stört" Weltruhm erlangte, ist mit 89 Jahren gestorben. Das bestätigte die Stadtverwaltung von Monroeville, Lees Heimatstadt in Alabama, am Freitag.

 Harper Lee im August 2007 (Archivbild).

Harper Lee im August 2007 (Archivbild).

Foto: ap

Die Autorin sei bis zuletzt weitgehend gesund gewesen, teilte ihre Familie mit. In der Nacht zum Freitag sei sie dann überraschend im Schlaf in dem Seniorenheim in Monroeville, in dem sie zuletzt lebte, gestorben. In den kommenden Tagen werde es eine Beerdigung im privaten Rahmen geben, wie Lee es sich gewünscht habe.

"Liebevolles Mitglied unserer Familie"

"Das ist ein trauriger Tag für unsere Familie", sagte Lees ältester Neffe Hank Conner. "Amerika und die ganze Welt kannten Harper Lee als eine der beliebtesten Autorinnen des vergangenen Jahrhunderts. Wir kannten sie als Nelle Harper Lee, ein liebevolles Mitglied unserer Familie, eine hingebungsvolle Freundin für die vielen Menschen, die ihr Leben bereichert haben, und eine großzügige Seele in unserer Gemeinschaft und unserem Bundesstaat. Wir werden sie sehr vermissen."

Bis heute ist "Wer die Nachtigall stört", Lees halbbiografisches Buch über die Rassenprobleme im Amerika der 1930er Jahre, in vielen Schulen Standardlektüre und gehört zu den meistgelesenen Büchern aller Zeiten. Es handelt von dem weisen Rechtsanwalt Atticus, der einen zu Unrecht der Vergewaltigung beschuldigten Afro-Amerikaner verteidigt und dabei sowohl seinen Kindern Jem und Scout als auch einem ganzen Land eine Lektion in Toleranz, Nächstenliebe und Menschenrechten erteilt. Mit Hollywoodstar Gregory Peck in der Hauptrolle wurde das Werk auch verfilmt und gewann drei Oscars.

Der Erfolg war nicht erwartet

Sie habe den Erfolg von "Wer die Nachtigall stört" nicht erwartet, sagte die als extrem scheu geltende Lee einmal in einem ihrer seltenen Interviews. "Ich hoffte auf einen schnellen und gnädigen Tod durch die Literaturkritiker, aber gleichzeitig hoffte ich auch irgendwie, dass irgendjemand es zumindest so gerne mögen würde, dass er mich unterstützen würde. Unterstützung habe ich dann wahnsinnig viel bekommen und irgendwie war das fast genauso Angst erregend wie der schnelle gnädige Tod, den ich erwartet hatte."

Nach dem Welterfolg des Buches zog sich die 1926 als jüngste von vier Kindern eines Anwaltes und seiner gemütskranken Frau geborene Lee aus New York in ihr Heimatstädtchen Monroeville zurück und verweigerte jahrzehntelang jedes Interview und weitere Bücher.

"Gehe hin, stelle einen Wächter"

Erst 2015 erschien mit "Gehe hin, stelle einen Wächter" ein zweiter Roman. Das Werk war allerdings nicht neu geschrieben, sondern ein wiederentdecktes erstes Manuskript für "Wer die Nachtigall stört".
Trotzdem wurde es zur literarischen Sensation, verkaufte sich millionenfach - und schockte viele Fans, denn die Hauptfigur des weisen Rechtsanwalts Atticus war auf einmal ein Rassist.

Für Lee seien die letzten Jahre ihres Lebens "nicht nur eine große Freude, sondern auch ein überwältigendes Privileg" gewesen, sagte ihr Agent Andrew Nurnberg in einer Mitteilung. "Als ich sie noch vor sechs Wochen gesehen habe, war sie voller Leben, ihr Verstand und ihr schelmischer Humor so scharf wie eh und je. (...) Wie haben eine großartige Autorin, eine großartige Freundin und einen Leuchtturm der Integrität verloren." Lee sei eine "außergewöhnliche Frau von großer Freude, Bescheidenheit und Freundlichkeit" gewesen, sagte der Präsident ihres Verlags HarperCollins, Michael Morrison.

"Es tut mir so leid, von ihrem Tod zu hören", sagte die Schauspielerin Mary Badham, die in der Verfilmung von "Wer die Nachtigall stört" Atticus' Tochter Scout gespielt hatte. Auch der frühere US-Präsident George W. Bush trauerte um Lee. "Sie ist ihrer Zeit immer voraus gewesen."

(dpa/AFP)
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