Britische Bestsellerautorin Jane Austen — die moderne Klassikerin

Winchester · Vor genau 200 Jahren starb die britische Bestsellerautorin Jane Austen. Sechs große Gesellschaftsromane hat sie geschrieben, allesamt noch heute lesenswert. Veröffentlicht wurden die Bücher damals aber nicht unter ihrem Namen.

 Sechs große Romane hat Austen geschrieben. Jetzt wird die britische Klassikerin wiederentdeckt.

Sechs große Romane hat Austen geschrieben. Jetzt wird die britische Klassikerin wiederentdeckt.

Foto: dpa, sab jai

Wer wissen will, worum es bei Janes Austen im Wesentlichen geht, sollte ganz aufmerksam ihre ersten Sätze lesen. Das klingt recht minderbemittelt, zumindest erschreckend simpel; und vielleicht ist es das zunächst ja auch. Wie zum Beispiel bei "Emma", diesem wunderbaren Roman, der uns auf diese Weise empfängt: "Schön, aufgeweckt und reich, bei einem sorgenfreien Zuhause und einem glücklichen Naturell war Emma Woodhouse offenbar mit einigen der erfreulichsten Vorzüge des Daseins gesegnet und hatte beinahe einundzwanzig Jahre fast ohne jeden Anlass zu Kummer und Verdruss auf dieser Welt verbracht."

Schneller und genauer kann man kaum in eine Geschichte katapultiert werden. Wobei Austen viel dezenter ist, als es den schnellen Anschein hat. Die Zwischentöne machen bei ihr die Musik; und beim Auftakt zu "Emma" sollte man die Beschreibungen "sorgenfreies Zuhause", "glückliches Naturell" und "Vorzüge des Daseins" schon genauer bedenken. Weil es Jane Austen genau darum geht: um das nötige Geld, das Versorgtsein und das Heiraten.

Und da Austen immer aus der Sicht von Frauen erzählt, geht es im ausgehenden 18. Jahrhundert ums Verheiratetwerden. Das ist eine höhere Form von Prostitution. Dass es nicht so genannt wird, liegt daran, dass dieser "Markt" gesellschaftlich legitimiert war. Unverblümt ist davon wiederum gleich am Anfang in "Stolz und Vorurteil" die Rede: "Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass ein alleinstehender Mann im Besitz eines hübschen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau."

Es ist nicht grundverkehrt, in den Büchern von Jane Austen frühe Anklänge einer feministischen Literatur zu sehen. Sechs dickleibige Romane hat sie geschrieben, die innerhalb von nur sieben Jahren - zum Teil in Fortsetzungen - veröffentlicht wurden. Dass ihr Werk nicht umfänglicher werden konnte, liegt auch am frühen Tod der englischen Bestsellerautorin. Heute vor 200 Jahren starb Jane Austen - die unverheiratet blieb - im Alter von nur 41 Jahren.

Verheiratung als Lebensbeschäftigung

Solche Jahrestage können Glückstage sein, wenn wir durch diese Anlässe wieder zu Büchern greifen, die sonst verstaubend ein unbeachtetes Dasein fristeten. Und Jane Austen wiederzulesen macht wirklich Spaß. Einzutauchen in die alte, vorindustrielle Welt von Englands gehobener Mittelschicht und ins gesellschaftliche Geplänkel, ist eine Wonne.

Mit ihren vielen Halbwahrheiten (Fake News wurde man heute vielleicht sagen), den Verkupplungsstrategien, dem Getuschel, den heimlich belauschten Gesprächen. Darin ist Austen eine Meisterin. Und sie treibt diese Spiele mit so viel Lust, Ironie und heiterer Bitterkeit, dass ihre Bücher leichtfertig der Unterhaltungsliteratur zugeschlagen werden. Das stimmt nur in dem Sinne, dass es in ihren Büchern wesentlich um Unterhalt geht.

Verheiratung als Lebensbeschäftigung, die trotz aller literarischen Leichtigkeit durchaus existenziell gemeint ist - mit den Versorgungshoffnungen der jungen und den Abstiegsängsten der älteren und bereits verwitweten Frauen. Jane Austen wird da zur knallharten Buchhalterin, indem die Jahreseinkommen der einzelnen Familien sogar in Pfund berechnet und spekuliert, wem wie viel zu dieser oder jener Paarung fehlt. Jane Austen selbst war siebtes von acht Kindern eines anglikanischen Landpfarrers - und lebte nach dem Tod des Vaters in bescheidenen Verhältnissen.

Ein Sittengemälde der Zeit

Sechs Romane in sieben Jahren - das klingt nach einer Entfesselung ihrer Kreativität. Auch das ist nicht ganz richtig. Denn bei "Verstand und Gefühl" (1811), "Stolz und Vorurteil" (1813) und "Die Abtei von Northanger" handelt es sich eigentlich um Jugendwerke, die - ordentlich überarbeitet - erst über 15 Jahre nach ihrer Entstehung erschienen sind. Während "Mansfield Park" (1814), "Emma" (1816) und "Überredung" (1818) das sogenannte Spätwerk ausmachen.

Alle Bücher sind zu ihren Lebzeiten nicht unter ihrem eigenen Namen erschienen. Verboten war den Frauen das literarische Schreiben zwar nicht, aber es galt doch als unfein. Eine der vielen Austen-Legenden erzählt davon, dass die Autorin alle Bücher am kleinen runden Tisch des Esszimmers schrieb, da in diesem Raum die Tür knarrte - ein Alarmsignal für sie, das Manuskript schnell verschwinden zu lassen. Das aber kann so arg nicht gewesen sein, zumal im überdurchschnittlich gebildeten Pfarrerhaushalt der Vater für Jane einen Verleger organisierte und ihr Bruder später ihren literarischen Nachlass betreute.

Jane Austens Bücher sind an der Oberfläche ein Sittengemälde der Zeit um 1800. Und natürlich sind die Umstände im 21. Jahrhundert gänzlich andere. Doch die Modernität ihres Schreibens macht die Romane zeitlos. Dazu gehört vor allem die durchgehaltene Innenperspektive ihrer Heldinnen, aus der heraus Jane Austen die Geschichte erzählt und vorantreibt. Es fast ein innerer Monolog, mit dem wir einen Blick auf die nur scheinbar vergangene Welt werfen.

Austens Blick in die Köpfe ihrer Heldinnen ist der Einblick in ein Rollenverständnis, mit dem sich die Frauen arrangieren oder gegen das sie sich auflehnen, mit dem sie ihr Glück finden oder untergehen, dem sie widerstehen oder sich von ihm korrumpieren lassen. Es gibt kein Patentrezept, scheint uns Jane Austen auf jeder Seite zuzurufen. Weder damals noch heute.

Oft sind es Dörfer, in denen die Romane spielen und die von ihren Figuren auch selten verlassen werden. Wie bei einem antiken Drama wahrt Austen die Einheit von Ort und Zeit. Alles hübsch klein dort und übersichtlich. Ein Mikrokosmos, der aber die Welt spiegelt.

Wer Jane Austen heute liest, wird nicht viel schlauer, weil wir konkrete Antworten auf die Fragen unserer Zeit in den Romanen kaum finden. Aber mit Jane Austen beginnen wir uns plötzlich Fragen zu stellen, die uns ohne ihre im wahrsten Sinne unterhaltsamen Geschichten zuvor niemals in den Sinn gekommen wären.

(los)
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