"Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt" Mankell: Neues Buch über Aids-Problem in Afrika

Berlin (rpo). Der schwedische Autot Henning Mankell ist durch seine Krimis bekannt geworden. Viele seiner Bücher wurden verfilmt. Doch Mankell ist mehr als ein begnadeter Krimiautor, der Schwede ist auch ein großer Fan von Afrika. Es lag als nah, dass er früher oder später ein Buch über den heißen Kontinent schreiben würde. Allerdings befasst sich der "Wallander"-Autor in seinem jüngsten Werk nicht etwa mit der Schönheit Afrikas - sondern mit einem großen Problem: der Immunschwächekrankheit Aids. Titel: "Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt".

Schon früh stand Mankell mit einem Fuß im Schnee seiner eher kühlen schwedischen Heimat und mit dem anderen im Sand des warmen afrikanischen Kontinents, wie er bei seinem Besuch am Dienstagabend im Haus der Kulturen der Welt in Berlin eindrucksvoll vor großem Publikum beschrieb. Der Schwede leitet unter anderem ein Theater in Maputo in Mosambik.

Im Frühjahr 2003 reiste Mankell für einige Wochen nach Uganda, um mit Aidskranken und deren Angehörigen zu sprechen. Im Mittelpunkt des Buchs "Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt" steht der Essay "Die Mangopflanze". Sie erzählt von Mankells Begegnung mit dem Mädchen Aida und ihrer aidskranken Mutter Christine, die mittlerweile verstorben ist. Am Beispiel Aidas beschreibt der Autor das Schicksal der Kinder, denen durch den vorzeitigen Tod ihrer Eltern die Verantwortung für ihre Geschwister aufgebürdet wird. Zehn Millionen Waisenkinder wird es am Ende des Jahrzehnts laut Schätzungen in Afrika geben.

Die Kinder werden in jungen Jahren nicht nur zu Familienoberhäuptern. Ihnen fehlt es vor allem auch an Identität. Wenn die Kinder noch sehr klein sind, wenn ihre Eltern sterben, fehlt ihnen jegliche Erinnerung. Aus diesem Grund gehen aidskranke Eltern in Afrika zunehmend dazu über, so genannte "Memory Books" für ihre Kinder zu schreiben. In diesen halten sie Ereignisse ihres Lebens, ihre Herkunft fest, beschreiben das Aufwachsen ihrer Sprösslinge, gepaart mit einigen Lebensweisheiten. Dieses Projekt hat Mankell besonders fasziniert und spielt in der "Mangopflanze" eine große Rolle. Im Anschluss an die Erzählung folgt in dem Buch schließlich ein Abdruck des Erinnerungsbuchs von Christine Aguga an ihre Tochter Aida.

Vorgelesen wurden Auszüge daraus von Literaturkritikerin Elke Heidenreich. Sie habe nicht lange gezögert, den Termin anzunehmen, berichtete sie - auch wenn sie sich derzeit etwas "rar" machen wolle. Wenn jedoch die Menschen derzeit sehr auf sie hörten, so könne sie doch versuchen, dass man auch bei diesem Thema auf sie höre. Für Heidenreich ist "Lesen" schlechthin "das beste Anti-Virus-Mittel", weil etwa die grausame Wirklichkeit in den betroffenen Ländern dadurch lebendig werde. Dass eine ganze Generation von Eltern "Todesbriefe" an ihre Kinder schreiben müsse, sei "sehr bitter".

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die Mankells Buch mit einem Nachwort beschließt, sieht in den "Memory Books" eine Chance, damit die nachwachsende Generation etwas anders macht als ihre Eltern. Mankell gebe mit seinem Buch "Aids ein Gesicht".

Einig waren sich die Diskutanten in der Frage, dass alle Hilfe für Afrika spät, aber nicht zu spät kommt. Mankell ebenso wie Ulla Schmidt forderten unter anderem billigere Aidspräparate für die betroffenen Staaten. Denn die Kranken können sich die derzeit angebotenen teurer in aller Regel nicht leisten. "Aids in Afrika ist ein gesellschaftliches Problem, das uns alle angeht", unterstrich Schmidt. Mankell selbst macht keinen Hehl aus seiner anfänglichen Skepsis, ob er sich das Problem Aids vor Ort wirklich ansehen wolle. "Doch wir können es uns nicht mehr leisten, einfach wegzusehen", lautet seine nüchterne Erkenntnis.

Doch die Gedanken reichten an diesem Abend auch über Afrika hinaus. Studien zeigen in erschreckender Weise, dass gerade in Europa das Schutzverhalten junger Leuten entschieden nachlässt - vor allem in osteuropäischen Ländern. Vor allem wegen der neuen Aidsmedikamente sei bei vielen fälschlicherweise der Eindruck entstanden, die Krankheit sei heilbar, berichtet Schmidt. Daher müsse in Europa offen mit dem Thema umgegangen werden. "Sonst wird die nächste Katastrophe nach Afrika in Europa sein."

Henning Mankell: Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt. Verlag Zsolnay, 144 Seiten, 14.90 Euro.

(afp)
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