Über 700 Regeln Mann lebte ein Jahr streng nach der Bibel

Düsseldorf (RPO). A.J. Jacobs glaubt eigentlich nicht an Gott. Aber er war neugierig auf den Glauben. Darum hat der US-Amerikaner die Bibel gelesen. Sein Ziel: Dem Buch der Bücher auf den Grund zu gehen. Systematisch klopfte Jacobs sie auf ihre Vorschriften und Gebote ab. Er fand über 700. Zwölf Monate lang versuchte er die Gesetze so getreu wie möglich zu befolgen.

Weithin unbekannte Gebote aus der Bibel
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Weithin unbekannte Gebote aus der Bibel

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Foto: ullstein

Dieses Experiment veränderte sein Leben. Sein biblisches Jahr beschrieb er in einem Buch. Es eröffnet einen neuen Blick auf das Leben. Um es kurz zu sagen: Ein großer Wurf!

Jacobs ist in der experimentellen Literatur kein Unbekannter. Der hauptamtlich beim Esquire arbeitende Journalist hat schon einmal die Encyclopaedia Britannica von vorne bis hinten durchgelesen und auch darüber ein Buch geschrieben. In Amerika und auch Deutschland wurde es ein Bestseller.

Sein zweites Werk ist ein würdiger Nachfolger. In "Die Bibel und ich" protokolliert er ein zwölf Monate währendes Abenteuer. Sein Projekt: Ein Jahr lang wörtlich nach den Geboten der Bibel zu leben. Und so wie Jacobs sie versteht sind das weit mehr als gemeinhin bekannt. Nach seinem Studium der Bibel lag vor Jacobs eine 72 Seiten lange Liste, vollgestopft mit Prinzipien, Gesetzen, Maximen und Geboten. Manche davon sind im Verhaltenskodex westlicher Kulturen verinnerlicht, viele jedoch entstammen einer anderen Welt. Er befolgt sie trotzdem. Alle.

Zweimal täglich die zehnsaitige Harfe

So hat Jacobs während seines Bibeljahres verrückte Dinge getan. Er hat den Monatsanfang mit einem Stoß in ein Widderhorn begrüßt. Er hat sich ein Jahr lang nicht den Bart geschnitten (3. Mose 19,27) und sich morgens Öl auf das Haupt geschmiert (Pediger Salomo 9,8). Trug tagsüber ein weißes Gewand aus reinem Gewebe und spielte zweimal täglich auf der zehnsaitigen Harfe. Sogar vor dem Werfen von Kieselsteinchen nach einem Gotteslästerer schreckte Jacobs nicht zurück (zumindest warf er sie in dessen Richtung).

Kurzum: Jacobs wird zu einem Bibel-Fundamentalisten. Mitten in New York. Genau daraus erwächst der ungemein große Reiz dieses Buches. Die Konfrontation zwischen dem Alttag der Moderne und einem strengen Regelkorsett führt zwangsläufig zu sonderlichen Situationen. Entsprechend reihen sich in dem 400-Seiten-Wälzer witzige, aber auch erhellende Momente in schneller Folge aneinander. Jacobs schildert sie mit freundlicher Ironie und großer Herzenswärme.

Naive Unbekümmertheit

Dabei öffnet er sich auch dem Fremden, sucht den Kontakt zu ultraorthodoxen Juden, den im 19. Jahrhundert stehengebliebenen Amish People und anderen Religions-Fundamentalisten. In ihren Auslegungen der Bibel sind sie ihm in manchen Dingen nahe. Auch die orthodoxen Juden legen die Bibel wortgetreu aus. In diesen Begegnungen taucht Jacobs ein in die Welt der anderen. Vieles bleibt ihm fremd, doch er bemüht sich und bringt doch so etwas wie Verständnis auf.

Diese naive Unbekümmertheit und Neugier für das andere machen die Lektüre zu einer freudvollen Entdeckungsreise. Jacobs ist weit davon entfernt, die Bibel und den Glauben lächerlich machen zu wollen. Im Gegenteil. Jacobs, zu Beginn seines Projekts offen bekennender Nichtgläubiger, findet im Laufe seines biblischen Lebens so etwas wie eine Ahnung von Spiritualität, der Tiefe des Glaubens.

Sein Fazit: "Ich hatte keine Ahnung, mit wie unglaublich vielen Makeln ich behaftet bin. Ich hatte auch keine Ahnung, was für sonderbare Dinge in der Bibel stehen. Vor allem aber hatte ich keine Ahnung, dass ich eines Tages auf die Bibel trauen und mich freuen würde, wie es in den Psalmen so schön heißt."

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