Gedichtband "Nachtgedanken" von Marlene Dietrich

Berlin (rpo). Trotz Scotch und Tabletten hatte Film-Diva Marlene Dietrich viele schlaflose Nächte, nachdem sie sich mit 75 Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Dann setze sie sich in ihrer riesigen Pariser Wohnung hin und schrieb Gedichte. Ihre heute 81-jährige Tochter Maria Riva hat die Texte jetzt veröffentlicht. Das Band trägt den passenden Titel "Nachtgedanken".

 Maria Riva ist die Herausgeberin des Buches "Nachtgedanken" mit Gedichten von ihrer Mutter Marlene Dietrich.

Maria Riva ist die Herausgeberin des Buches "Nachtgedanken" mit Gedichten von ihrer Mutter Marlene Dietrich.

Foto: ddp, ddp

Es sind melancholische und scharfsinnige Erinnerungen einer Frau, die sehr einsam gewesen sein muss. Eröffnet werden die "Nachtgedanken" mit einer inständigen Bitte Dietrichs: "Lass mich bitte wenigstens schlafen." Dann werden in kurzen Momentaufnahmen die Großen ihrer Zeit lebendig, unter anderen Jean Gabin, Billy Wilder, Ernest Hemmingway, Edith Piaf, General de Gaulle, Ronald Reagan, Yul Brynner, Katherine Hepburn, Charlie Chaplin oder Frank Sinatra, insgesamt 43 Personen.

Mindestens ebenso interessant wie die Gedichte sind Erläuterungen Dietrichs dazu, wie sie die in den lyrischen Passagen Porträtierten kennen lernte und einschätzte. Traurig sind beispielsweise die Gedanken an den Ex-Geliebten Jean Gabin: "Wo bist du, Liebe meines Lebens, die so lange währte", fragt sie. Über Frank Sinatra schreibt die 1901 in Berlin geborene und 1992 in Paris gestorbene Schauspielerin, er sei einer der "sanftesten Männer, die ich kannte".

Über Charlie Chaplin ist zu lesen: "Im richtigen Leben war er überhaupt nicht komisch. Ziemlich langweilig mit all seinen Geschichten über sexuelle Eroberungen." Charles de Gaulle bezeichnete sie als Inbegriff von Mut: "Für mich war er ein Heiliger." Und über ihre Tochter Maria Riva schrieb sie: "Wir sind getrennt - allein, nicht so wie es war, als die Welt noch in Ordnung war."

Verständnis für Rückzug der Mutter

Im Vorwort zeigt die heute in den USA und der Schweiz lebende Riva Verständnis für den Rückzug ihrer Mutter aus der Öffentlichkeit. Sie sei nicht etwa aus Eitelkeit zur Einsiedlerin geworden. "Meine Mutter zog sich zurück, weil sie es einfach satt hatte, Marlene Dietrich zu sein, weil sie die endlose Anstrengung leid war, die jenen Menschen abverlangt wird, die ein Ideal von Vollkommenheit verkörpern, ohne vollkommen zu sein."

Optimal war die Beziehung zur Mutter nicht. Riva litt offensichtlich unter dem Besitzanspruch der Mutter. Sie habe keine Liebe zur Mutter empfunden, sondern großen Respekt, erzählt Riva in einem Interview. "Ich hatte keine Mutter. Die Dietrich hat immer gesagt, ich hab dich gemacht." Tatsächlich bezeichnet Riva ihre Mutter immer wieder als die Dietrich.

Die Dietrich habe gar nicht gewusst, was Liebe ist: "Sie dachte, sie hat es erfunden. Sie spielte es wunderbar, und sie hat es geglaubt, dass es wahr war, aber es war nicht die Wirklichkeit."

Das Buch (Verlag C. Bertelsmann) hat 192 Seiten, ist mit Fotos aller Porträtierten illustriert. Es kostet 20 Euro.

(ap)
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