Rezension Aufgebot der Banalitäten

Düsseldorf · Odile macht es sich zum Lesen bequem. Sie liest einige Sätze mehrmals, fragt sich, wer Gaylor ist, wer Pal ist, blättert zurück, versucht es zu rekonstruieren.

Odile ist eine Protagonistin aus "Glücklich die Glücklichen". Die Szene beschreibt einen Streit zwischen ihrem Ehemann und ihr: sie möchte lesen und er schlafen. Eine Kleinigkeit, die eskaliert. Wie so viele Kleinigkeiten im Leben — und vor allem im Roman. Das Glück steht ständig auf der Kippe.

Dies könnte aber auch eine Beschreibung sein, wie es einem beim Lesen von Yasmina Rezas neuem Roman geht. Es handelt sich um 21 Einzelgeschichten, die, da alle Charaktere miteinander vernetzt und bekannt sind, zusammenhängen. Insgesamt sind es dreißig Personen - da kann man schon mal den Überblick verlieren und muss zurückblättern. Es empfiehlt sich von Beginn an, eine Übersicht anzulegen, wer mit wem verheiratet ist und wer mit wem schläft, geschlafen hat, schlafen möchte.

Der Roman soll das Leben widerspiegeln, dementsprechend gibt es keine mitreißende Handlung, sondern Banalitäten und Amoralitäten im Übermaß. Und bisweilen dienen die Seiten nur, damit Yasmina Reza zeigen kann, wie gut sie Dialoge schreiben kann. Das kann sie tatsächlich; das reicht für ein Theaterstück, nicht aber für einen Roman.

Vor allem, wenn der Roman außer guten Dialogen nicht viel zu bieten hat. Charaktere, die man nicht zuordnen kann und die einem auch sonst fremd bleiben, deren Gefühlen man gleichgültig begegnet, eine Handlung, die man schon wieder vergessen hat, sobald man die Passage beendet hat.

Kurzum: Das Lesen lohnt nicht. Statt sich knapp zweihundert Seiten mit der Unfähigkeit der Protagonisten, glücklich zu sein, zu befassen, sollte man lieber das Glück im eigenen Alltag suchen.
Sonja

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