Rezension Die Zerbrechlichkeit von Träumen

Düsseldorf · "Die Leute verbringen ihr Leben damit, die Bruchstücke zusammenzukleben, und nennen das dann Ehe, Treue oder was weiß ich." "Ein Mann braucht einen sicheren Ort, um der Welt gegenübertreten zu können."

Was ist von einem Roman zu halten, der mit solchen Sätzen überreich hantiert? Was ist von einem Roman zu halten, der Lebensgeschichten zusammenhangslos aneinanderreiht — intime Einsichten in die Verletzlichkeit der Menschen, des Lebens selbst? Einsichten in die Zerbrechlichkeit von Träumen; in die mal triste, mal rasch rotierende Mühle, die man als Leben bezeichnet.

Reza hat in ihrem 2014 erschienen Roman "Glücklich die Glücklichen" ein sinnreich verwobenes Netz der Zwischenmenschlichkeit gespannt. Sie gewährt diese intime Einsichten, Erlebnisse, Taten einzelner Menschen, die man kaum seinem besten Freund oder seiner besten Freundin mitteilen würde.

Was ist von einem solchen Roman zu halten? Er liest sich zuweilen anstrengend. Denn es ist anstrengend, das Leben mit seinen Winkelzügen und seinen Fallnetzen. Er liest sich auch deswegen anstrengend, weil man mit einem überreich verstrickten menschlichen Beziehungsgeflecht überschüttet wird. Luc ist Roberts bester Freund, der wiederum eine Affäre mit Virginie hat. Diese ist Sprechstundenhilfe bei einem Arzt, Dr. Chmela. Bei diesem Arzt sitzt Vincent mit seiner Mutter, die wiederum...

Wer sich auf diese vielfältigen, fein und sinnreich geknüpften Zusammengehörigkeiten der einzelnen Ich-Erzählungen einlassen möchte, der wird reich belohnt. Reich belohnt an Einsichten.

Was ist von einem solchen Roman zu halten? Es kann einem vorkommen, als wären viele Romane in einen eingegangen. Die zahlreichen Erzählungen der einzelnen Menschen sind es an sich schon wert, jeweils einen Roman zu bilden. Was vor allem begeistert, sind die fehlenden Helden. Die Erzählungen wirken zunächst banal. Es geschieht nichts Großartiges, nichts Weltbewegendes. Es ist der Streit im Supermarkt an der Käsetheke, es ist die erste Autofahrt einer 70-Jährigen Dame, die seit 30 Jahren nicht mehr gefahren ist, es ist die Rede von außerehelichen Begehrlichkeiten, von einer Klassenfahrt nach Madrid. Das Fehlen von Helden macht den Verbund der Geschichten zu einer authentischen Bestandsaufnahme des Spektrums menschlicher Gefühle.

Die Sprache indes ist nicht pathetisch überladen, sie fließt gleichmäßig wie das Leben, das beschrieben wird und nimmt einen, wenn man das möchte, mit auf eine Reise in die inneren Welten der Psyche.
Wer Spannung erwartet, wird enttäuscht werden. Wer leichte Unterhaltung sucht ohne viel nachdenken zu müssen, wird gelangweilt oder überfordert sein. Wer aber hinter der Sprache die Empfindungen spüren kann und möchte, die Gefühle und Ängste und Sehnsüchte der Lebendigen, der wird begeistert sein.

Von dem Roman ist sehr viel zu halten, wen man bereit ist, das Theater des Lebens in Romanform derart auf sich wirken zu lassen, dass man sich immer wieder dabei ertappt fühlen kann: Oh! Das habe ich auch schon einmal gedacht oder gesagt. Oh! Das wünschte ich mir auch...

Die zahlreichen Spielarten der Liebe, der Träume, der Begierde aber auch der Langweile, der Krankheit und des Todes werden zu einer gelungenen Komposition, die bei der geneigten Leserin und beim geneigten Leser eine Symphonie zum Klingen imstande sind.

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