Rezension Glücklich? Die Glücklichen?

Düsseldorf · "Glücklich die Glücklichen" heißt Yasmina Rezas neuer Roman. Ganz anders als sein Titel vermuten lässt, zeichnet er ein düsteres, makabres Bild der Gegenwart und prophezeit jungen Lesern eine womöglich unglückliche Zukunft.

In ihrem neuen Roman beschreibt die berühmte Theaterautorin Yasmina Reza in 21 Kapiteln, auf knapp 200 Seiten, verschiedenste Situationen des alltäglichen Lebens, wobei jedes Kapitel aus der Perspektive eines anderen Charakters erzählt wird. Die Handlungsstränge der verschiedenen Figuren setzen sich mit immer wiederkehrenden Themen des Lebens auseinander: Liebe, Beziehungen, Wünschen, Konflikten oder eben einer Beerdigung, an der fast alle Charaktere des Buches gleichzeitig teilnehmen.

Geschickt geschrieben und verstrickt sind die Geschichten. Auf wenigen Seiten, werden ganze Lebensgeschichten verständlich und realistisch konstruiert und das Einfühlen möglich gemacht. Die Figuren der einzelnen Kapitel treffen im Verlaufe des Buches zum Teil aufeinander und so wird es möglich gemacht, bestimmte Charaktere aus verschiedenen Perspektiven zu sehen: zum Beispiel die Toscanos, die von den Hutners genervt sind, weil diese nach außen so harmonisch wirken. Allerdings mussten diese ihren Sohn in die Psychiatrie einweisen lassen, weil dieser sich für die Sängerin Celine Dion hält. Die Hutners schämen sich dafür sehr und tun alles, um dies nach außen zu verschleiern.

Eines haben die Hauptfiguren aber gemeinsam: sie erscheinen alle nicht wirklich glücklich. Exemplarisch dafür steht eine Meinungsverschiedenheit an der Käsetheke, in der sich das Ehepaar Toscano in einen handfesten Ehestreit verstrickt. Dieser entsteht aus der banalen Situation, dass Robert, der Meinung seiner Frau Odile nach, den falschen Käse gekauft hat.

"Glücklich die Glücklichen". Von ihren Protagonisten wird die Autorin kaum reden, daher könnte man den Titel als eine Art Hinweis verstehen. Ein Hinweis auf das eigene Glück und das Unglück der Hauptfiguren. Glück soll das eigentliche Motiv des Romans sein. Und so ist es große Ironie, dass der wohl einzige glückliche Charakter im Buch als verrückt abgetan wird: der Sohn der Hutners, der sich für die Sängerin Celine Dion hält.
Mit erschreckender Intensität erzählt Reza von den Problemen des Alltags und mit erschreckender Verblüffung wird der ein oder andere sich schnell dort wiederfinden. Jedoch gelangt man irgendwann an den Punkt, an dem man sich fragt: möchte ich von diesen ganzen Problemen lesen, möchte ich mir die Probleme und den Schmerz von anderen — und seien es nur fiktive Personen — auch noch aufladen? Möchte ich auch mal so enden? Reza schafft es, dass man sich all diese Fragen stellt.

"Glücklich die Glücklichen" zeichnet auf makabre Art und Weise ein fiktives Spiegelbild einer Realität, die einem nicht so weit weg vorkommt - einer womöglichen Zukunft. Als Leser muss man sich fragen, wenn man abends das Buch zur gemütlichen Unterhaltung zur Hand nimmt, ob man sich mit diesen erschreckend echt wirkenden Geschichten auseinander setzen will. Yasmina Rezas Roman ist schwere Kost für all jene, die beim Lesen lieber das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachten wollen oder in fremde Welten entfliehen, denn das ist bei diesem Roman nicht möglich.

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