Rezension Glücklich die Glücklichen - oder doch nicht?

Düsseldorf · Ein Junge, der sich für Celine Dion hält; ein Arzt, der sich prostituiert; ein Pokerspieler, der aus Frust eine Karte isst. Interessante Figuren? So sollte man meinen. 'Glücklich die Glücklichen' von Yasmina Reza besteht aus 21 Episoden, beschrieben aus der Sicht von 18 Personen, von denen die meisten eine Verbindung zueinander haben. Ein faszinierendes Konzept, das den Leser herausfordert.

 Felicitas Otte studiert im 2. Semester Anglistik/Amerikanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Felicitas Otte studiert im 2. Semester Anglistik/Amerikanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Foto: Picasa

Dieser Aufbau hat aber auch zur Folge, dass keine der Figuren ausreichend zu Sprache kommt. Der Junge, der sich für Celine Dion hält? Seine Situation wird über fünf Seiten beschrieben, in späteren Kapiteln wird er noch zweimal mit wenigen Sätzen erwähnt. Der Arzt, der sich prostituiert? Seine Geschichte umfasst gerade mal sechs Seiten. Und so ist es mit allen Figuren und Handlungssträngen in diesem Buch. Sobald etwas Interessantes vorkommt, wird es schon wieder fallen gelassen. Dadurch kommt letztendlich keine Handlung zu Stande und bis auf die allerletzten Kapitel, besteht der Roman nur aus Beschreibungen der Situationen der Charaktere. Nun könnte man denken, dass dies zum Wohl eines größeren Ganzen geschieht. Dass der
Roman über die verschiedenen Geschichten zu einem einzigen großen Punkt kommt.

So hat man es schließlich schon in vielen anderen Romanen mit einem ähnlichen Konzept gesehen, nicht wahr? Es gibt tatsächlich einen roten Faden, der sich durch das gesamte Buch zieht. Dieser rote Faden ist die Natur menschlicher Beziehungen, speziell "Liebes-" Beziehungen zwischen Mann und Frau. Allerdings werden hier nicht die verschiedenen Arten von Beziehungen dargestellt, die verschiedenen Dynamiken die sich zwischen zwei Menschen entwickeln können.

Stattdessen wird nur eine Art von Beziehung dargestellt, denn alle Paare im Roman erfüllen drei Kriterien: 1. Einer oder beide Beteiligte sind untreu. 2. Einer oder beide Beteiligte werden misshandelt oder wurden misshandelt. 3. Einer oder beide Beteiligte (meist beide) sind unglücklich in ihrer Beziehung. Von Liebe oder Romantik ist in diesen "Liebes-" Beziehungen also nicht viel zu finden (daher die Abneigung das Wort Liebesbeziehung zu verwenden). Von Abwechslung dank dieser Ähnlichkeiten leider auch nicht. All diese dunklen Themen werden von Yasmina Reza wie nebenbei beschrieben, was wirklich genial ist. Die gelassene Erzählung macht die immer wieder überraschende Grausamkeit der Figuren umso schockierender für den Leser. Ein Beispiel. Die Geliebte eines Ministers trifft sich mit dessen Ehefrau und muss erkennen, dass dieser wohl kein Interesse an einer ernsthaften Beziehung zu ihr hat.

"Zu Dr. Lorrain sagte ich, ist es nicht vollkommen normal, dass man sich nach so einem Treffen umbringen will? Am besten wäre es natürlich gewesen den Mann umzubringen. Ich bewundere Frauen, die ihren Geliebten totschlagen, aber die Veranlagung dafür haben nicht alle." Am Ende scheint die Aussage des Buchs zu sein, dass es keine glücklichen Menschen gibt, nur Menschen, die wissen wie man so tut als wäre man glücklich. Ob einem das nun gefällt oder nicht muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Das ganze Buch lesen muss man allerdings nicht um diese Message zu erhalten, denn die wird schon im ersten Kapitel klar: "Und warum nur denke ich in diesem Moment an die Hutners, ein befreundetes Paar, dass sich, koste es, was es wolle, im ehelichen Wohlergehen eingerichtet hat, sie nennen einander neuerdings >mein Herz< und sagen Sätze à la >Heute Abend essen wir was Schönes, mein Herz<."

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