Rezension Vom Glücklichsein und anderen Absurditäten

Düsseldorf · In Yasmina Rezas neuen Roman "Glücklich die Glücklichen" kann man viel finden – Glück jedoch gehört nicht dazu.

In Yasmina Rezas neuen Roman "Glücklich die Glücklichen" kann man viel finden — Glück jedoch gehört nicht dazu.

Was passiert, wenn die Fassade der Kultiviertheit anfängt zu bröckeln? Dieses Thema hat sich für Yasmina Reza schon in anderen Werken bewährt, zum Beispiel in ihren Theaterstücken "Kunst", "Drei Mal Leben" und "Gott des Gemetzels" - letzteres 2011 von Roman Polanski erfolgreich verfilmt. Auch in ihrem neuen Buch "Glücklich die Glücklichen" greift sie auf diese Idee zurück. Doch während ihre Theaterstücke die Konflikte weniger Personen behandeln, lässt sie in ihrem neuen Buch 18 Personen zu Wort kommen. In 21 Kapiteln und auf weniger als 200 Seiten wird dem Leser gezeigt, dass die Personen gar nicht so glücklich sind, wie es scheint. Hinter der Fassade der glücklichen Ehe, der glücklichen Familie, der erfolgreichen Karriere stehen Einzelschicksale, die versuchen, den Schein im Alltag zu wahren.

So wie Familie Hunter, die ihren Sohn in eine Nervenheilanstalt einweisen, weil er glaubt, Célion Dion zu sein. Oder der Onkologe, der nur nachts und in aller Heimlichkeit seine homosexuellen Neigungen ausleben kann. Und gleich mehrere der Personen erzählen von ihren Affären, die sie nicht aus der Tristesse der unglücklichen Ehe befreien.

Man könnte meinen, Reza möchte demonstrieren, dass sich das Glück nicht finden lässt, wenn man sich an den Konventionen der Gesellschaft orientiert: Familie, Ehe, Freundschaft; all das birgt kein Glück, solange man das Glück nicht in sich selbst sucht — und das macht keine der Personen, jedenfalls nicht erfolgreich.

Stilistisch ist Rezas Roman sicherlich interessant. Alle Einzelschicksale sind auf die ein oder andere Weise miteinander verknüpft, Personen kennen sich und der Erzähler aus dem vorherigen Kapitel wird zum Statisten im Folgenden. Und auch auf die Konvention, wörtliche Rede zu markieren, wird in diesem Roman verzichtet. Dies mag den Dialogen zuträglich sein, doch kann es den Leser an mancher Stelle verwirren, wenn er einen Absatz erneut lesen muss, um zu erkennen, wer denn nun was gesagt hat.

Was letztendlich fehlt ist der Tiefgang. Die Episoden zeigen einen Ausschnitt aus dem Leben der betreffenden Person, doch es wird nicht mehr als die Oberfläche angekratzt. Nachdem die Fassade gebrochen ist und die Eskalation geschildert und anschließend bewältigt wurde, endet das Kapitel, der Erzähler wird ausgewechselt und eine neue Episode aus dem Alltag einer neuen Person beginnt.

Das ist schade, denn was man auch in diesem Buch an Absurditäten des Alltags finden mag, das Einzige was sich nicht erkennen lässt, ist das Glück — und diese Tatsache führt das Glücklichsein selbst ad absurdum.

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