Rezension Wo sind denn die Glücklichen?

Düsseldorf · In dem neuen Roman von Yasmina Reza kann man glückliche Menschen nicht finden. So paradox es auch klingen mag, aber die 21 Kurzgeschichten, die das Buch umfasst, wirken eher als wären sie aus einem komplett trostlosen Alltag gerissen worden.

Ein Ehepaar, das sich im Supermarkt um den richtigen Käse streitet? Eigentlich nicht der Stoff, aus dem Romane sonst gemacht sind. Und schon gar nicht in einem Roman, der "Glücklich die Glücklichen" heißt. Die Kurzgeschichten übertreffen sich gegenseitig in ihrem abstrusen Inhalt. Fast jedes der Kapitel handelt von einem anderen Charakter mit einer individuellen Lebenssituation. Nach und nach wird dem Leser aufgedeckt, dass die Geschichten nicht unabhängig voneinander stattfinden. In einem der ersten Kapitel begleitet man einen jungen Mann mit seiner krebskranken Mutter ins Sprechzimmer eines Arztes, wohingegen in einem späteren Kapitel die Misshandlung des Arztes als Kind näher beleuchtet wird.

Der Inhalt wirkt auf der einen Seite sehr alltäglich und unspektakulär, andere Passagen hingegen sind zu abstrakt. Und auch ist die Auswahl der einzelnen Charaktere eher fragwürdig, es scheint sich daraus kein Ganzes zu ergeben: mal eine erfolgreiche Schauspielerin, mal ein Rentner oder Journalist. Alle Figuren verbindet jedoch die Einsamkeit und verzweifelte Suche nach Liebe und Bestätigung.

Die häufigen Dialoge und der lebendige Sprachstil der Autorin gestalten den Roman jedoch durchaus interessant. Die Mischung von tiefsinnigen Gedanken und belangloser Plauderei wurde gut umgesetzt. Doch was soll man auch sonst von einer Theaterautorin erwarten? Es lässt sich auf jeden Fall sagen, dass Yasmina Reza ihr Handwerk gut beherrscht, jedoch ihr Drehbuch es nicht schafft, die Aufmerksamkeit des Lesers zu halten.

Die Dialoge heben sich durch fehlende Markierung nicht vom übrigen Text hervor, sodass man bei langen Passagen manchmal den Überblick verlieren kann. Sprachlich hat Yasmina Reza ihr Können dennoch unter Beweis gestellt, nur der Inhalt kann leider nicht überzeugen. Glücklich ist man nach dem Lesen des Romans jedenfalls nicht.

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