CDU-Urgestein feiert Dienstag 70. Geburtstag Schäubles zwei Leben für die Politik

Berlin · Rechtzeitig zum 70. Geburtstag des Bundesfinanzministers legt der Journalist Hans Peter Schütz ein Buch über Schäuble vor: In "Zwei Leben" schildert Schütz, wie das Attentat 1990 Schäubles Leben in zwei Teile spaltete, wie er weitermachte, weil Politik sein Leben war und ist.

Porträt: Bilder aus dem Leben von Wolfgang Schäuble​
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Bilder aus dem Leben von Wolfgang Schäuble

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Es muss in den frühen 80er Jahren gewesen sein, als Hans Peter Schütz, der selbst die 70 schon überschritten hat, Wolfgang Schäuble als flinken Linksaußen kennenlernte. Schütz schildert Schäuble in der Ankündigung für sein neues Buch als pfeilschnellen Kicker, der damals in der Bundestagsmannschaft als junger Abgeordneter der gegnerischen Journalisten-Elf der Bundespressekonferenz das Fürchten gelehrt hat. Als Schäuble einen seiner furiosen Flankenläufe startete, habe er im Vorbeilaufen gefrotzelt: "Na, kannste denn wenigstens hier mich stoppen, ich bin nämlich der Linksaußen!"

Schäuble, der am 18. September seinen 70. Geburtstag feiert, ist seit dem Attentat am 12. Oktober 1990, 22.04 Uhr, vom dritten Brustwirbel an querschnittsgelähmt. Das Ereignis spaltete sein Leben in zwei Teile — in einen ersten Teil, in dem der politische Aufstieg wie in einem einzigen Flankenlauf scheinbar mühelos gelang, und in einen zweiten Teil, in dem er mit großer körperlicher Disziplin höchste politische Ämter bekleidete und trotzdem nie ganz an die Spitze gelangte.

Der Anschlag

Schütz, der langjährige "Stern"-Reporter und frühere Hauptstadt-Korrespondent der "Südwest Presse", hat ein unterhaltsames Porträt über den Mann vorgelegt, der über 40 Jahre die deutsche Politik geprägt hat wie kaum andere. Schütz hat seinem bei Droemer gerade erschienenen Buch den Titel "Wolfgang Schäuble. Zwei Leben" mit Bedacht gegeben: Kein Ereignis in Schäubles ereignisreichem Leben war wohl einschneidender als der Anschlag auf sein Leben.

Hätte er damals nicht weitergemacht mit der Politik, das ist einer von Schützens Schlüssen, hätte Schäuble nicht weiterleben wollen. Schon wenige Wochen nach den verhängnisvollen Schüssen aus der Pistole des Attentäters Dieter Kaufmann, bei dem paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde, war Schäuble schon wieder politisch aktiv. Von seiner Frau Ingeborg ließ er sich sogar noch im Krankenhaus Unterlagen vorlesen.

Als ob nichts geschehen wäre

Ein Jahr nach dem Attentat, so schildert es Schütz im Vorwort, habe Ingeborg Schäuble nach eigener Aussage mit ihrem Mann das schwerste Gespräch ihres Lebens geführt. Da stellte sie ihm die Frage, ob er sich denn wegen des Rollstuhls auch ein Leben ohne Politik vorstellen könne. Seine Antwort: "Willst du wirklich, nachdem ich diese dramatische Veränderung in meinem Leben verkraften muss und die du auch aushalten musst, denn du musst mich ertragen, eine zweite dramatische Veränderung aushalten, nämlich ein Leben ohne Politik? Wäre das gut für dich und die Familie?"

Für Schäuble war immer klar, dass das nicht gutgehen würde — und so machte er weiter, als sei fast nichts geschehen. 1991 wurde er Chef der Unionsfraktion, nach der von Helmut Kohl verlorenen Bundestagswahl 1998 dessen Nachfolger als Parteivorsitzender, bis er seinen Stuhl im April 2000 für Angela Merkel räumen musste. 2005 wurde Schäuble unter Merkel wieder Bundesinnenminister, 1989 bis 1991 hatte er dieses Amt schon einmal inne — und schließlich, 2009, übernahm der damals 67-Jährige das schwierige Finanzressort.

Zweimal die Hand an höchsten Ämtern

Schütz schildert, wie Schäuble zweimal ganz nah dran war an allerhöchsten Staatsämtern — und wie er von Helmut Kohl und Angela Merkel, deren Skrupellosigkeit und Machtinstinkt größer waren als bei Schäuble, beide Male kaltblütig ausmanövriert wurde. 1997 war es Kohl, der seinem Kronprinzen Schäuble Hoffnungen auf eine Kanzlerkandidatur 1998 machte und sich dann doch selbst ausrief. Der Schäuble als CDU-Vorsitzenden entscheidend schwächte, weil er in der Parteispendenaffäre keine Namen nennen wollte.

Ende 1999 kam dann Merkels erster Streich. Damals distanzierte sich "Kohls Mädchen" in einem "FAZ"-Beitrag von ihrem Ziehvater Kohl und leitete damit ihren späteren Aufstieg zur Parteichefin ein: Schäuble wusste als Parteivorsitzender nichts vom Manöver seiner Generalsekretärin. 2004 kam dann ihr zweiter Streich: Schäuble machte sich Hoffnungen auf das Amt des Bundespräsidenten, doch Merkel wusste ihn laut Schütz trickreich zu verhindern und setzte Horst Köhler durch. Sie habe Schäuble nie als Bundespräsidenten gewollt, weil sie seine intellektuellen Reden fürchtete.

Im Dienst des Staates

Schütz zeichnet das Bild eines "protestantischen Pflichtmenschen", der "absolut institutionenloyal" sei und immer weitermache im Dienste des Staates, trotz aller Demütigungen und Vertrauensbrüche, gerade durch Merkel. Schäuble sei einer, dem es nie um die Macht gegangen sei, sondern der in der Macht zuerst die Chance sehe, etwas zu gestalten. Kritik an Schäuble erlaubt sich Schütz kaum. Nur dass Schäuble, der seinen Pressesprecher Michael Offer öffentlich desavouiert hatte, mitunter ein unangenehmer Chef ist, wird referiert.

Sein Fazit am Ende des Buches kommt da fast überraschend: "Vielleicht war er auch kein Mann für die allererste Reihe der Politiker."

(mar)
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