Buch-Kritik Vikram Seth: Zwei Leben

Die aristokratisch wirkende Henny und der einarmige Zahnarzt Shanti sind ein ungewöhnliches Paar. Ihre Liebe überwindet Krieg, Exil und Schicksalsschläge. Der preisgekrönte indische Autor Vikram Seth erzählt in dem biografischem Roman "Zwei Leben"die Geschichte seines Onkels Shanti und dessen deutsch-jüdischer Frau Henny. Ihre lebenslange Verbindung ist Ausdruck einer tiefen Schicksalsverbundenheit.

 "Zwei Leben" von Vikram Seth.

"Zwei Leben" von Vikram Seth.

Foto: S. Fischer Verlag

Seth beschreibt das Leben seiner Protagonisten detailliert, streckenweise resümiert er seine gesamte Familiengeschichte. Leider erdrückt er damit über weite Passagen sein eigentliches Thema - der Einfluss der Weltgeschichte auf das Glück des Einzelnen.

Shanti, Abkömmling einer reichen indischen Familie, kommt in den dreißiger Jahren zum Studium nach Berlin. Er lernt Henny, die Tochter seiner Vermieterin, kennen, eine rassige, doch kühle Frau, die einen großen Freundeskreis pflegt. Der Zahnmedizinstudent Shanti wird zu Hennys treuem Begleiter, bis er angesichts der dramatischen Entwicklung in Nazi-Deutschland nach England übersiedelt.

Hier steht 1939 plötzlich Henny vor seiner Tür: Sie ist die Einzige ihrer jüdischen Familie, die der Vernichtung entgehen konnte. Erst im Laufe der Jahre wird aus der tiefen Freundschaft der beiden so etwas wie Liebe, ihre Hochzeit 1951 scheint die Besiegelung einer vom Schicksal förmlich diktierten Zusammengehörigkeit. Gemeinsam meistert das eigenwillige Paar ein wechselvolles Leben, den Blick zurück gönnen sie sich kaum.

Das Ungewöhnliche an der Verbindung von Seths Verwandten ist die Tatsache, dass deren Leben und Lieben untrennbar verwoben ist mit den Ereignissen eines ganzen Jahrhunderts. Der Zweite Weltkrieg zerstört ihre bürgerliche Existenz und treibt sie in ein nicht frei gewähltes Leben. Shanti richtet sich in der indischen Diaspora ein, Henny arrangiert sich nie wirklich mit dem Exil.

Seth geht im Zuge seiner Berichterstattung allzu dezidiert auch auf eigene Befindlichkeiten ein, viele Briefwechsel oder minutiöse Schilderungen belangloser Auseinandersetzungen nehmen dem Erzählten den Zauber. Dennoch berührt das Porträt dieser beiden Menschen, die füreinander bestimmt gewesen zu sein scheinen.

(ap)
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