Bukowski-Museum am Rhein

Wer sich fragt, was man eigentlich so wissen muss über Andernach, dieses 30 000-Einwohner-Städtchen am Rhein, dann vertraut einem der eigens dafür eingerichtete Touristenteil des städtischen Internetauftritts zuerst die Geschichte von Fränzje und Döres an, den zwei Bäckerjungen. Die retteten, so erzählt man sich, einst die stets verschlafenen Bürger vor einem feindlichen Angriff.

Wer davon liest, bekommt eine Vorstellung von der Andernach'schen Rheinromantik. Und ist gleich darauf erstaunt über den Stolz, mit dem die Kleinstadt ihren berühmtesten Sohn anpreist, der so gar nicht in diese heile Kitsch- und Klatschwelt passt: Charles Bukowski – Trinker, Wettspieler, Depressiver und: US-Literat mit Kultstatus.

Dass der "Poet der Gosse", Sohn eines amerikanischen Soldaten und einer Deutschen, als Heinrich Karl Bukowski die ersten zwei Jahre seines Lebens in ebendiesem Andernach verbracht hat, ist nur wenigen bekannt.

Tatsächlich aber hat Charles Bukowski, der in Los Angeles zur Schule ging und wegen starker Akne zeitweise vom Unterricht befreit werden musste, gerade hier in Deutschland zuerst kulturelle Beachtung erfahren: Seine Werke "Aufzeichnungen eines Außenseiters" und "Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang" wurden ins Deutsche übersetzt und auf seinen Lesetouren gefeiert. Allerdings konnte Bukowski, der seine nächtlichen Schreibexzesse lange Zeit mit Gelegenheitsjobs finanzierte, erst nach seinem Erfolgsroman "Der Mann mit der Ledertasche" in den 70er Jahren vom Schreiben leben. Und das auch nicht mehr allzu lang: 1994 starb der "Underdog" an Leukämie. Heute wäre sein 90. Geburtstag.

Es ist das Leben am Rand der Verzweiflung, das Verlorensein in der Gesellschaftsmühle, das Bukowski in seinen über 40 Büchern stets beschrieben und kritisch hinterfragt hat. Auf eine direkte, unverblümte Art: Er habe die Fäkaliensprache poesiefähig gemacht, so würdigt ihn "Der Spiegel", und der Vorstandsvorsitzende der "Bukowski-Gesellschaft" geht noch einen Schritt weiter: "Gesellschaftskritik, die haben viele gemacht. Was Bukowski von Kafka oder Nietzsche abhebt, das ist sein Humor."

Um Leben und Werke des Autors umfassend darstellen zu können, plant die Bukowski-Gesellschaft seit nunmehr zwei Jahren ein Museum für den so ungewöhnlichen Sohn ihrer Stadt. In seinem Geburtshaus im rheinland-pfälzischen Andernach, einem Eckhaus in einer kleinen Straße, drei Zimmer wären frei. "Das ist eine Gelegenheit, nach der sich viele andere die Finger lecken würden", sagt der Gesellschaftsvorsitzende, der sich "Roni" nennt. Schauobjekte, Manuskripte, Video- und Tonmaterial: davon haben sie genug. Aber Spendengelder, die lassen noch auf sich warten.

Die Stadt Andernach hat ihre finanzielle Unterstützung indes schon länger zugesagt. Den vermeintlichen Kontrast zwischen Rheinidylle und Rebell scheut man nicht.

Das Museum soll, so die Pläne, Anlaufstätte sein für den generell Literaturinteressierten bis zum Bukowski-Fan. Bukowski selbst hat sich für den Rummel um seine Person weniger interessiert: "Ich habe viele Briefe von Lesern, die sagen, meine Bücher wären ihre Rettung gewesen", schreibt er in einem seiner Tagebücher. "Aber dafür habe ich sie nicht geschrieben. Sondern um meinen eigenen Arsch zu retten."

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