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Essen "Cabaret" entzückt das Ruhrgebiet

Essen · Reinhard Friese inszenierte das Nachtclub-Stück im Schauspiel Essen.

"Life is a cabaret" heißt es im berühmten Broadway-Musical "Cabaret", das durch die Verfilmung mit Liza Minnelli 1972 weltberühmt wurde. In Reinhard Frieses Inszenierung im Schauspiel Essen ist die gesamte (Dreh-) Bühne ein Cabaret. Wenn sich zum ersten Mal der große Zylinder in der Mitte öffnet, erscheint eine runde, leuchtende Showtreppe. Ein Salonorchester spielt fröhlich auf, aufreizende Frauen (und auch zwei Männer in Strapsen und Spitzentops) tanzen ansprechende Choreografien - die Nachtclubatmosphäre stimmt.

In Zeiten der latenten Finanz- und Wirtschaftskrise lässt sich "Cabaret" im Theater stets gut erzählen. Die Geschichte, die auf autobiografischen Erzählungen von Christopher Isherwood beruht, ist Gesellschafts- und Sittenbild des Berlins der späten 1920er Jahre und Warnung zugleich. Friese nimmt beide Aspekte ernst. Sein um Musiker und Tänzer ergänztes Ensemble stürzt sich hinein ins Leben zwischen finanzieller Not und orgiastischen Ausschweifungen. Der sexuelle Ausverkauf des Körpers, die Sehnsucht nach echter Liebe und ihre Verhinderung durch das Erstarken der Nationalsozialisten stehen hier dicht nebeneinander.

Das Drama der Zeit wird an zwei starken Frauenfiguren ablesbar: Janina Sachau, die vergangenes Jahr von Düsseldorf nach Essen wechselte, gibt die Nachtclub-Tänzerin Sally Bowles, die sich in die erzählende Hauptfigur Clifford Bradshaw verliebt und den Ausbruch aus der Glitzerwelt versucht. Sachau ist eine ebenso starke Sängerin (was sie unter anderem mit dem Gassenhauer "Mein Herr" beweist) wie Tänzerin und Schauspielerin. Obwohl im Musical neben den vielen Gesangs- und Tanznummern nur ein Rumpf aus gesprochenen Szenen bleibt, arbeitet sie den Konflikt ihrer Figur heraus, die ausbrechen will, aber doch gehalten wird.

Ingrid Domann gibt die andere starke Frau, Pensionsbetreiberin Fräulein Schneider. Sie ist hier weniger typisch Berliner Schnauze als Ruhrgebiets-Duse - ein ums andere Mal muss man bei ihrem Spiel an Tana Schanzara denken. Sie kann ihr Haus moralisch nicht sauber halten, weil sie auf die Mieten angewiesen ist - und sie kann ihre große Liebe, den Obsthändler Schultz, nicht ehelichen, weil der Jude ist und die Nazis schon Steine durchs Fenster werfen. Rezo Tschchikwischwili als Herr Schultz bekommt am Ende den meisten Applaus, weil er die schwere Tragik seiner Figur mit so viel optimistischem Frohsinn ausstaffiert und mit Ingrid Domann unglaublich charmant den Ananas-Song singt. Allein schon diese Szene ist ein Besuch dieser schillernden Inszenierung wert.

Nächste Aufführungen 19., 26., 31. Dezember; Karten: Telefon 0201 8122200

(RP)
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