Provokantes Ekel-Theater Castorf schockt mit Lügen, Sex und Fäkalien

Berlin (rpo). Frank Castorfs Adaption des Dostojewski-Klassikers "Schuld und Sühne" hat am Donnerstagabend Premiere gefeiert und entpuppte sich als Reinfall. Die absurde Inszenierung des Stücks an der Berliner Volksbühne ist geprägt von brutalen Sexpraktiken, der Darstellung von Fäkalien und anderen Abartigkeiten. Angereichert wird das ganze mit philosophischen Reflektionen über das perfekte Verbrechen.

Castorfs "Schuld und Sühne"
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Über fünf Stunden führt Castorf die widerwärtigen Abgründe menschlichen Seins in seiner mittlerweile vierten Dostojewski-Adaption vor. Der Mensch ist auf seine Grundbedürfnisse reduziert. Wieder wird das Ganze eine Show vor allem für einen Schauspieler: Martin Wuttke spielt wild, ungestüm, schreiend, tobend, kurz: krawallig und häufig auch voller Klamauk den Langzeitstudenten Raskolnikow. Der erschlägt eine alte Pfandleiherin mit einem Beil, weil sie Geld hat, aber damit, seiner Meinung nach, nichts anfangen kann.

Minutenlang tobt Wuttke splitternackt über die Bühne, um seiner Wut über die Ungerechtigkeit der Welt seinen Lauf zu lassen, um seine selbst eingebildete Überlegenheit zu feiern, um seinen beim Orgasmus erlittenen Krampf zu lösen. Die anderen, wie Hendrik Aust, Bernhard Schütz, Jeanette Spassova und Silvia Rieger sind mehr oder weniger zu Statisten und Stichwortgebern degradiert, wobei die Frauen in erster Linie der Triebabfuhr dienen.

Lediglich Thomas Thieme als geschickter Ermittler und Milan Peschel als Freund Rasumichin spielen auf Augenhöhe. In den Gesprächen und Auseinandersetzungen mit ihnen begreift der Mörder nach und nach, dass er schuldig ist und nicht die Gesellschaft für sein Verbrechen verantwortlich gemacht werden kann.

Containerlandschaften auf der Drehbühne

Auf Bert Neumanns Drehbühne stehen wie gewohnt Containerlandschaften, ein mehrstöckiges Wohnhaus und ein Bordell. Das, was sich im Inneren abspielt, wird von Videokameras auf eine Leinwand übertragen. So sind auch Großaufnahmen von Szenen zu sehen, wie sich Wuttke mit Zahnstochern Fleischbrocken aus dem Mund holt und ein anderer diese wieder verspeist. "Der Mensch ist ein Schwein. Er gewöhnt sich an alles", ist Raskolnikows Erkenntnis. Und auf einer Containerwand ist eine weitere zu lesen: "Steen Blaiben Ferboten." Es muss immer weiter gehen.

Dieses Castorfsche Provokationstheater löst längst keinen Skandal mehr aus, ist aber in seiner Dichte von Ekel-Momenten dann doch beeindruckend abstoßend. Viele Szenen sind so übertrieben und absurd, dass sie zum Lachen reizen. Schon nach wenigen Minuten verließen die ersten Zuschauer den Saal. Am Ende jedoch gab es freundlichen Applaus für die Inszenierung. Die Uraufführung fand bereits im Mai bei den Wiener Festwochen statt. Damals dauerte der Marathon noch sechseinhalb Stunden.

(ap)
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