China verändert die Spielregeln

Die künftigen globalen Konflikte finden im pazifischen Raum statt. Deutschland und die EU spielen keine Rolle.

Bücher, die sich mit der Lage in Ostasien angesichts der Erstarkung Chinas und der Schwerpunktverlagerung der USA in den (West-)Pazifik beschäftigen, bedienen sich gern eines alarmistischen Untertons: Da ist die Rede vom "programmierten Krieg" (Susbielle 2006) oder "Warum in Asien Krieg droht" (Holslag 2015). Um so dankbarer muss man sein, wenn sich eine Institution wie der renommierte deutsche Think- Tank Stiftung Wissenschaft und Politik dieses Themas annimmt. Ihre Länderübersicht "Sicherheit in Asien. Konflikt, Konkurrenz, Kooperation" bietet eine Aufsatzsammlung namhafter Experten, die die Hintergründe tagesaktueller Konflikte wie den Ausbau von Atollen zu Militärstützpunkten durch China oder das Scheitern des pazifischen Freihandelsabkommens TPP in den USA beleuchten und mögliche Trends benennen.

Ausgangspunkt des 240-seitigen Bandes ist der Aufsatz über China, um dessen Aufstieg in Asien sich alles dreht. Die Autoren Hilpert und Wagner weisen darauf hin, dass mit Korea, Taiwan und Kaschmir sich die gefährlichsten Konfliktherde der Welt dort befinden. Hier sind auch die sechs größten Armeen der Welt und fünf der neun Atommächte beheimatet. So konzentriert sich der Band auf die "immer stärker akzentuierte sino-amerikanische Großmachtrivalität", die "kein kurzfristiger Schwenk" sei - auch unter Trump.

China hat sich zu Beginn dieses Jahrzehnts nicht nur bezüglich der offiziellen Rhetorik vom bescheideneren Kurs eines Deng Xiaoping Anfang der 90er Jahre abgewandt, auch wenn es nach wie vor nur einen formellen Bündnispartner mit Nordkorea hat. Mangels eines kollektiven Sicherheitssystems wie der Nato in Europa stützt sich die Politik in Asien auf bilaterale Sicherheitsallianzen (vor allem der USA), was die Sicherheit mangels Institutionalisierung dort vor allem in Krisen labiler und unberechenbarer macht. Im Zentrum des Buches steht auch der herausragende Aufsatz von Michael Paul über "China im Fokus amerikanischer Sicherheitspolitik". Der bewertet von der Genesis der US-Asienpolitik seit Obama über die dabei aufgestellten Konzepte für den Umgang mit China die heutigen Perspektiven sowohl diplomatischer wie militärpolitischer Natur. Dabei geht es auch um militärtechnologische Entwicklungen wie die weitreichenden Anti-Schiff-Raketen gegen Flugzeugträger.

Lesenswert auch die Aufsätze über Russland und Japan als Akteure in Ostasien, während die abschließenden Beiträge über Indonesien und Indien gerade aufgrund der Zurückhaltung und innenpolitischen Orientierung dieser Staaten eher der Vervollständigung des Bildes dienen. Letzteres gilt nach wie vor auch für Japan, das allerdings seinen Spielraum unter dem jetzigen Ministerpräsidenten Shinzo Abe konsequent auszubauen versucht, während Russlands Möglichkeiten in Fernost schwinden. Deutschland und die EU kommen in dem Band kaum vor. Aufschlussreich dazu einer der wenigen Kommentare, "auch der Bundesrepublik und der EU ist daran gelegen, sich nicht zwischen China und den USA entscheiden zu müssen".

Der Band gefällt durch nüchterne Sprache, umfassende Betrachtungsweise und abgewogene Kommentierung. Ein gravierendes Manko ist allerdings die unverständliche und problematische Zurückhaltung, die Lage vor Ort durch Karten zu verdeutlichen. Eine Miniaturkarte zu Beginn und die Definition der Begriffe "Asien" und "Ostasien" ist hier völlig unzureichend und trägt so leider dazu bei, dass die zahlreichen Initiativen der großen Mächte der Region und ihre Konfliktfelder "unterbelichtet" bleiben. Das schmälert den Wert des Bandes, zeigt aber Optimierungsmöglichkeiten für solche geopolitischen Themen, die ihre Anschaulichkeit für die interessierte Öffentlichkeit deutlich steigern könnten.

(RP)
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