Düsseldorf Comic-Biografie über den Sänger Nick Cave

Düsseldorf · Der beste deutsche Comiczeichner, Reinhard Kleist, widmet sich einem der besten Popkünstler.

Schöne Szene kurz vor Schluss: Reinhard Kleist und Nick Cave sitzen auf dem Sofa und trinken Tee. Der Comiczeichner - schwitzend - zeigt dem Musiker, was er sich hat einfallen lassen. "Und das ist die Stelle, an der du den anderen Typen umbringst", sagt Kleist. Und Cave nur: "Love it". Eiskalter Superheld.

So endet Band zwei von zwei, die der Comiczeichner Reinhard Kleist dem australischen Sänger Nick Cave widmet, pünktlich zu dessen 60. Geburtstag diese Woche: ein Artbook, in dem Kleist Illustrationen und kurze Sequenzen zu Caves Songs zusammengestellt hat, sowie das Hauptwerk, eine 300-seitige, ausführliche Comic-Biografie. Sie heißt "Mercy On Me", und Kleist, ein Begnadeter, zeichnet darin die Anfänge und Erfolge des Sängers bis in die 1990er rabenschwarz nach. Er habe zeigen wollen, sagt Kleist, wie Nick Cave entstand; dieser Star aus der Pop-Unterwelt mit den Mörder-Balladen, der mit Blixa Bargeld Musik machte und mit Kylie Minogue auch ("Where The Wild Roses Grow"). Beides ging gut.

Dass niemand vorher sich Caves angenommen hatte, ist schon sehr verwunderlich, denn der Sänger mit den schwarzen Anzügen und der hohen Stirn - die viel Platz lässt für ein Gesicht mit Wiedererkennungswert - bietet sich als Comicfigur nun mal an. Womöglich hatte Cave vorherige Anläufe verhindert. Als Kleist kam, ließ er ihn aber vor. Sie trafen sich backstage bei einem Festival in Brandenburg. Nick Cave saß damals auf dem Fußboden - runterkommen vom Konzert -, er kannte Kleists Biografie über Johnny Cash - ein Bestseller. Er gab ihm seinen Segen.

Reinhard Kleist ist der beste und wohl auch auflagenstärkste deutsche Comiczeichner, er hat zuletzt ein Buch über die somalische Sprinterin Samia Yusuf Omar veröffentlicht, die im Mittelmeer ertrank. Nun, kokettiert er, habe er sich nach einem leichten Stoff gesehnt. Natürlich ging das schief.

Nach ersten Versuchen gab er es auf, mit Weggefährten des Sängers zu sprechen. Mit Cave hielt er losen E-Mail-Kontakt. Als dessen Sohn vor zwei Jahren starb, stand das gesamte Projekt auf der Kippe. Erst war Funkstille, dann trafen sie sich eines Tages wieder, in einem Londoner Studio.

Das Unglück wird im Buch nicht erwähnt. Die Gegenwart spielt ohnehin keine Rolle. Obgleich er die Musik nach wie vor schätzt, vor allem das vorletzte Album "Push The Sky Away" (2013), fand Kleist Caves Lebensweg zuletzt nicht mehr so interessant. "Er ist ja schon noch Punk, aber jetzt mit teurem Anzug", sagt er.

Im Comic zeigt er ihn als Halbstarken im australischen Nirgendwo, bei einem Konzert der Einstürzenden Neubauten in Westberlin und dann in der Entzugsklinik. Weil man so etwas aber genauso gut in einem richtigen Buch nachlesen kann, wird Kleists Biografie umso richtiger, wenn er sich davontragen lässt.

Geordnet hat er die Biografie nach der Musik, jedem Kapitel stellt er einen Song und eine Figur daraus voran. Reinhard Kleist tuscht dann Wild-West-Szenerien, er zeigt, wo die wilden Rosen wachsen und verschränkt "The Mercy Seat" mit den Bildern des Todgeweihten, den Cave besingt. Den Hebel am elektrischen Stuhl lässt er Nick Cave selbst umlegen.

Kleiner Scherz am Rande.

(kl)
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