Düsseldorf Das Comeback der Flöte im Pop

Düsseldorf · Selbst harte Rapper tanzen zu Flötenmusik: über die Renaissance eines Klangs.

Popmusik wirkt im besten Fall wie eine Zeitschrift; man kann an Hits ja oft ganz gut ablesen, was gerade vor sich geht - das populäre Lied funktioniert dann wie ein Seismograph. Insofern sollte es einem zu denken geben, dass derzeit auffallend viele Künstler und Produzenten aus unterschiedlichen Genres Kompositionen mit Flötentönen garnieren. Ja, die Flöte feiert ein Comeback, und das nicht bloß im Folk, was nichts Besonderes wäre, sondern auch bei den harten Jungs mit den dicken Karren. Der hochbegabte Rapper Future etwa sampelt ein Flötenmotiv aus dem Musical "Selma" für seinen Titel "Mask Off". Drake benutzt auf seinem aktuellen Album Flöten für das Stück "Portland", und auch das Trio Migos aus Atlanta tanzt in "Get Right Witcha" zur Flöte.

Der Trend ist insofern bemerkenswert, da die Flöte zuletzt keinen guten Ruf im Pop genoss. Sie hatte zuviel Unheil gestiftet, man denke an die ausufernden Prog-Rock-Ungetüme der 1970er Jahre, an Jethro Tull etwa. Und noch früher war da der Rattenfänger von Hameln, auch da machte die Flöte keine gute Figur.

Nun ist aber alles anders, die Flöte mutet heute nicht mehr pompös und auch nicht gefährlich an, sondern im Gegenteil total schön. Eines der besten Jazz-Alben des abgelaufenen Jahres stammt von der amerikanischen Flötistin Nicole Mitchell, es heißt "Mandorla Awakening II - Emerging Worlds" und kündet von einer neuen, besseren Welt. Von einer Umarmung, die in der Musik stattfinden soll, ist da die Rede, man höre sich nur den Titel "Listening Embrace" an. Das führt zum Kern der Sache: Die Flöte verbindet Menschen, schließlich gilt sie als ältestes Instrument. Das älteste Exemplar, das Forscher fanden, ist aus Knochen geschnitzt und soll 43.000 Jahre alt sein. Flötenmusik ist Musik aus Atemluft, ein Klang, der tief im menschlichen Gedächtnis wurzelt. Die Popkünstlerin Björk hat gerade ein ganzes Album mit Flötensounds veröffentlicht, und sie sagt dazu, dass die Flöte in eine Welt nach Donald Trump entführen solle, in ein Paradies aus Vögeln und Orchideen. Die Platte heißt "Utopia".

Die Flöte bringt Unbeschwertheit und Leichtigkeit in die zeitgenössische Musik. Ein Hauch von Rückverzauberung, die zum Urzustand führt, umweht die Flöte. Und wenn man Popmusik als Indikator ernst nimmt, könnte dieser Trend die Sehnsucht nach Menschlichkeit in Zeiten digitaler Kälte dokumentieren. Der Popsong als Einfallstor in ein besseres Leben.

Schöne Sache, irgendwie.

(hols)
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