Das Ex-und-Hopp-System der Bauern

Tanja Busse tadelt die Agrarlobby, die Tiere nur als Produktionsfaktor behandelt.

Saftige Wiesen, glückliche Kühe. Mit diesem Bild wirbt die Milchwirtschaft. Doch weder das eine, noch das andere gibt es in Wirklichkeit, wie Tanja Busse in ihrem Buch in vielen Beispielen und Fakten deutlich macht. Schockierend ist schon der Titel: "Die Wegwerfkuh". Das klingt zynisch, charakterisiert aber genau das Ex-und-Hopp-System der heutigen Landwirtschaft. Die Kühe müssen immer mehr Milch in immer kürzerer Zeit liefern. Die Folgen sind drastisch: Die Tiere werden krank, sind schnell ausgebrannt. "Nach durchschnittlich drei Jahren im Melkstand werden Milchkühe ausrangiert, also geschlachtet", schreibt die Autorin, die selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Sie weiß, dass der Landwirt seine Tiere im Stall nicht zum Streicheln hält, sondern zum Geldverdienen.

Daher kann sie ganz nüchtern die Argumente der Bauernverbände auseinandernehmen, die sich als zukunftsorientierte, rationale Unternehmer sehen und zunehmend aggressiv gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit reagierten.

Die von der Agrarlobby gepriesene Effizienz sei in Wahrheit Verschwendung: von Futtermittel, von Energie, von Tieren und - immer wieder - von Antibiotika. Eindrucksvoll legt Tanja Busse dar, welches Minusgeschäft dies alles zusammen ist. Um eine Kilokalorie zu erzeugen, würden zehn verbraucht: "Kein Banker würde dieses Geschäft machen."

"Das Tragische an dieser Entwicklung ist: Das Wachsen hilft nicht. Wer gewachsen ist, muss sofort weiterwachsen", schreibt Tanja Busse. So erklären sich die immer größeren Ställe mit Tausenden von Kühen. Eine Bauernfamilie kann inzwischen über eine Million Hähnchen im Jahr produzieren. Die Autorin argumentiert durchweg wirtschaftlich, warum sie den bisherigen Weg für einen Irrweg hält. Die Investitionssummen für den technischen Fortschritt seien inzwischen so gigantisch, dass sich die Landwirte über Generationen verschulden müssten. Oder aufgeben. Jedes Jahr sterben drei Prozent der Höfe.

Aber die Autorin will die Bauern nicht anklagen und verdammen, sie will sie mit ins Boot holen und zeigen, wie sie mit einer anderen Landwirtschaft besser leben können. Solidarische Landwirtschaft, lautet eine der Möglichkeiten. Hier teilen die Verbraucher das Risiko einer schlechten Ernte mit dem Bauern. Oder einen Bauernhof für jede Schule. "Natürlich klingt das alles erst einmal utopisch", meint die Autorin. Aber dann führt sie die ganzen Bewegungen der letzten Jahre ins Feld: Veganismus, Widerstand gegen Agroindustrie und die Sehnsucht der digitalisierten Menschen nach einer sinnlichen Lebenswelt.

Tanja Busse zeigt in ihrem engagierten Buch mit sachlichen Argumenten so anschaulich wie drastisch, dass billige Milch teuer ist: für die Bauern und ihre Kühe, die Umwelt, die Moral - für uns alle.

(RP)
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