Oberhausen Das Herz von Lulu gehört allein ihrem Sugar-Daddy

Oberhausen · "Was seht ihr in den Lust- und Trauerspielen? Haustiere, die so wohlgesittet fühlen", spottet der Zirkusdompteur im Prolog zu Frank Wedekinds "Lulu" und verspricht: "Das wahre Tier, das wilde, schöne Tier, das sehn Sie nur bei mir."

Im Theater Oberhausen kann man erleben, wie dieses Versprechen ins Bild gesetzt wird. Zu Beginn von "Lulu. Eine Mörderballade" hecheln ein paar Männer, Hunden gleich, lüstern einen Ast an. Auf diesem schlängelt sich ein nackter Frauenkörper. Den schmuddeligen Ort der Szene bildet ein ehemaliger Schlachthof.

Vor zwei Jahren hat die englische Theaterband Tiger Lillies die Geschichte um den Triebmenschen, den Weibdämon Lulu in eine Ballade von 18 Songs gefasst und dabei eigene, noch schaurigere Akzente gesetzt. Etwa mit einem Lied auf "Jack the Ripper", für Engländer geradezu ein Pflichtprogramm. Als Koproduktion mit seinem Theater "Abattoir fermé" (Geschlossener Schlachthof) zeigt der Belgier Stef Lernous jetzt in Oberhausen eine faszinierende Kombination von Musik und Bildern. Das musikalische Arrangement stammt von Otto Beatus.

In Lernous' anderthalbstündiger Inszenierung verwandelt sich die Bühne in ein Tollhaus des Horrors und der Lust. Es fällt nicht leicht, den Überblick zu behalten angesichts der vielen Ergüsse von Blut, Schweiß, Tränen und anderem Liquiden. Die Metze Lulu ist Anstifterin, Zeugin und schließlich Opfer einer ausufernden Metzelei. Ob es der Zeitungsredakteur Dr. Schön ist, sein Sohn Alwa oder der Medizinalrat Goll, ihre Köpfe rollen im Zehn-Minuten-Takt. "Burn in hell" heißt es dazu, und über dem grausigen Geschehen weht das Banner des ungehemmten Sexualtriebs.

Eine herausragende Leistung zeigt die Lulu-Darstellerin Laura Angelina Palacios. Ihr Nacktheitsparcours von beinahe kindlich- schamloser Jungfrau zu verzweifelt-ekstatischer Hure ist theaterpreiswürdig. Ihr gehört auch der letzte Song des Abends. "My heart belongs to Daddy", ursprünglich von Cole Porter komponiert, ist eine rührende Hommage an die Sugar-Daddys der käuflichen Liebe.

Große Begeisterung am Premierenabend.

(RP)
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