Indianapolis Das Sterben der US-Opernhäuser

Indianapolis · In New York, San Diego, Indianapolis und anderswo brechen trübe Zeiten an.

Die US-amerikanische Opernwelt kränkelt nicht nur, sie liegt mittlerweile auf der Intensivstation. Nachdem die Oper von San Diego den Betrieb aufgegeben hat, muss nun die Oper von Indianapolis die letzte Produktion der Saison aufgrund finanzieller Probleme ersatzlos streichen. Gespielt worden wäre die Britten-Oper "Albert Herring". Damit hätte das Haus allerdings zu wenig Besucher mobilisieren können. Es hat deshalb entschieden, das Risiko nicht einzugehen. Laut einem Bericht des "Indianapolis Star" sind die Vermögenswerte der Oper von 613 010 Dollar im Jahr 2011 auf 75 299 Dollar zusammengeschmolzen.

Man könnte darüber hinwegsehen und eine gewisse geografische Ferne reklamieren: Was geht das uns an? In Wirklichkeit steht ein weltweiter Begriff von kultureller Leuchtkraft auf dem Spiel. Es sind ja mitnichten Klitschen, die da eingehen, sondern auch traditionsreiche Ensembles und sogar weltberühmte Orchester wie das Philadelphia oder das Cleveland Orchestra, die um ihr Überleben kämpfen wie nie – und deren Musiker teilweise gewaltige Gehaltskürzungen hinnehmen müssen. Man stelle sich vor, die Berliner Philharmoniker bekämen für eine Saison nur 75 Prozent ihres Gehalts – ein Aufschrei ginge durch das Land.

In unserem heutigen Fall monieren Branchenkenner, dass in Indianapolis einem veralteten Modell nachgelebt wird, das davon ausgeht, dass Opernproduktionen per se teuer seien müssten. Der "Indianapolis Star" zitiert etwa den mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Musikmanager Charles Stanton, der erklärt, dass andernorts mittlerweile mit wesentlich schlankeren Budgets qualitativ hochstehende Produktionen realisiert würden.

Aber das alles verkennt die Tatsache, dass sich das US-amerikanische Musikleben längst nicht mehr durch Spenden zu finanzieren vermag; eine öffentliche Unterstützung wie in Deutschland gibt es dort nicht. Die Stiftungsvermögen der US-amerikanischen Orchester und Opern sind dramatisch geschmolzen und damit auch die fest verplanten Zinsen. Genauso ist es aber auch um Stiftungen und Privatpersonen bestellt, die weitere Teile des Finanzplans stützten. Zahlende Zuschauer halten sich zurück oder warten auf Last-Minute-Kartenschnäppchen.

Also reduzieren die amerikanischen Opernhäuser die Zahl der Produktionen, suchen Stücke aus, die mit wenigen Sängern und Instrumentalisten zu meistern sind – oder schließen im Extremfall ihre Tore. Die New York City Opera (NYCO) beispielsweise hatte die Zahl aller Aufführungen in der gesamten Saison 2011/2012 auf 16 reduziert – so oft hebt sich an einem mittelgroßen deutschen Musiktheater jeden Monat der Vorhang. Die Saison 2013/14 fand an der NYCO schon gar nicht mehr statt, sie war im vergangenen Oktober wegen Zahlungsunfähigkeit geschlossen worden. Das ist umso trauriger, als sie – erschwingliche Preise, junge Sänger – stets das bürgernahe Alternativmodell für die teure Metropolitan Opera war. Plácido Domingo und José Carreras, die berühmten Tenöre, hatten an der NYCO ihre Weltkarriere begonnen.

So beginnt derzeit eine Absetzbewegung – junge Sänger aus den USA sehen daheim kein gelobtes Land mehr und suchen derzeit eine Festanstellung in Deutschland. Früher war das genau andersherum.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort