Porträt Hilary Duff Das zweite Leben der Disney-Prinzessin

In der langen Reihe singender Ex-Kinderstars hatte Hilary Duff stets die Rolle der Fleißigen, Anständigen und Braven inne. Acht Jahre nach ihrem letzten Album versucht sie nun, an die alten Erfolge anzuschließen.

Kinderstars beim Aufwachsen zuzusehen ist eine zwiespältige Angelegenheit. Denn die Wahrscheinlichkeit eines tragischen Lebensverlaufs ist groß. Spätestens mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter muss der Kinderstar eine neue Rolle für sich finden - ein schmerzhafter Prozess, der vor den Augen einer nach Fehltritten gierenden Öffentlichkeit stattfindet. Ganze Bücher ließen sich mit unglücklichen Geschichten füllen. Ihre Protagonisten heißen Macaulay Culkin, Lindsay Lohan oder Amanda Bynes. So reibungslos wie bei Emma Watson und Justin Timberlake gelingt die Emanzipation vom alten Image nur selten.

Was ist die Geschichte von Hilary Duff? Bekannt wird sie Anfang der 2000er Jahre durch die Sitcom "Lizzie McGuire". 13 Jahre ist sie, als sie den Vertrag unterschreibt, der sie zum Teeniestar macht und dem Disney+ Channel viele Millionen Dollar bringt. Dort sind Serien für und über Teenager elementarer Bestandteil des Geschäftsmodells. Neben der berühmten ersten Generation um Britney Spears, Christina Aguilera und Ryan Gosling zählen heute Selena Gomez, Demi Lovato und Miley Cyrus dazu.

Die Teenserien des Disney Channels folgen einem ähnlichen Muster: Auf unterhaltsame und oberflächliche Weise erzählen sie von pubertierenden Jugendlichen. Dabei wird vieles, was mit dem Erwachsenwerden einhergeht - erwachende Sexualität, Hinterfragen bestehender Konventionen, Abgrenzung - nicht oder nur unzureichend thematisiert. Während die fiktiven Teenager einem aseptischen Rollenbild entsprechen müssen, werden die Darstellerinnen älter und durchleben die ausgeblendeten Veränderungen am eigenen Körper und Geist. Ein Widerspruch zwischen Figur und Wirklichkeit entsteht. Erst mit dem Ende einer Serie kann dieses verdrängte Erwachsenwerden nachgeholt und ausgelebt werden. Auch hier ist Miley Cyrus, die als Hannah Montana einen Enthaltsamkeitsring trug, die augenfälligste Erscheinung.

Hilary Duff hat keinen solch extremen Bruch vollzogen. Zwar macht sie nach dem Abschied von "Lizzie McGuire" eine offenherzige Fotoserie für ein Männermagazin, wird in diverse "Hottest Women"-Listen gewählt und geht eine kurze Liaison mit einem Punksänger ein. Ansonsten aber bemüht sie sich, dem Bild einer bienenfleißigen, immer professionell agierenden Entertainerin zu entsprechen.

Wie viele Disney-Teenstars veröffentlicht sie mehrere Popalben, auf denen internationale Produzententeams für einen radiotauglichen Sound sorgen, der nach genauen Marketinganalysen die Zielgruppe bedienen soll. Der Plan geht auf. Dazu spielt Duff in Hollywoodproduktionen wie "Cinderella Story" oder "Im Dutzend billiger" mit, die lose an ihr altes Image anknüpfen. Sie tritt als Designerin für Hundemoden in Erscheinung, entwirft ein Parfüm und schreibt Bücher.

Musik spielt in dieser Phase ihrer Karriere keine Rolle mehr. Auch wenn sie mehrmals davon spricht, mit neuen Aufnahmen beginnen zu wollen und sich dafür "Mumford & Sons" zum Vorbild nimmt, bleibt es lange bei der Ankündigung. Als sie im vergangenen Jahr überraschend zwei Singles veröffentlicht, bleibt die Resonanz verhalten. Und nun, acht Jahre nach dem vorherigen Album, erscheint "Breathe In. Breathe Out". Acht Jahre sind eine Ewigkeit im schnelllebigen Musikgeschäft. Die Welt hat dutzende Prinzessinnen kommen und gehen sehen. Hilary Duff muss wieder bei Null anfangen und sich neu erfinden.

Wie soll diese Neuerfindung gelingen? Hilary Duff färbt dafür ihre Haare graublau, holt sich Stars wie Ed Sheeran als musikalische Unterstützung und berichtet in Interviews, dass sie nach dem Ende ihrer Ehe erstmals die Dating-App "Tinder" benutzte. Zum Albumtitel erklärt sie: "Ich finde, dass es wichtig ist, nicht zu vergessen auszuatmen und wieder einzuatmen und jeden Moment zu schätzen."

Keine aufregenden Geschichten sind das, nichts, was für Schlagzeilen sorgt. Und doch passt diese Harmlosigkeit perfekt zum Bild von Hilary Duff: Immer bemüht, immer fleißig, auffällig oder gar anstößig nur im Rahmen eng gesteckter Grenzen. Die Disney-Prinzessin ist halbwegs unbeschadet durch die Pubertät gekommen. Wer sie als Erwachsene sein will und ob die Welt an diesem zweiten Leben Anteil nimmt, muss sich nun zeigen.

(RP)
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