Woody Allen Der Chefneurotiker wird 80

Düsseldorf · Woody Allen ist der größte Tragikomiker des Films. Er hat New York zur Seelenkulisse der Intellektuellen erhoben, den Besuch beim Analytiker salonfähig gemacht und die Nerdbrille kultiviert. Am 1. Dezember 1935 wurde er geboren.

 Kultregisseur Woody Allen wird 80 Jahre alt.

Kultregisseur Woody Allen wird 80 Jahre alt.

Foto: dpa, bsc

Wenn der Mensch ehrlich ist, bleibt ihm nur das Lachen. Schließlich ist ihm allein der Tod gewiss, um den Sinn für die Zeit davor muss er ringen - und sich damit abfinden, dass er scheitern wird. Woody Allen hat früh erkannt, dass das Leben eigentlich ein Witz ist, dass man aber selbst die Pointe finden kann, um das letzte Wort zu haben. Darum ist er Komiker geworden, ein am Absurden verzweifelnder Schwadroneur und Meister der filmischen Selbstanalyse. Niemand grübelt so unterhaltsam wie er. "Sich im wirklichen Leben in Situationen wiederzufinden, die qualvoll waren, und dann nicht um eine komische Bemerkung verlegen zu sein, das war großartig", hat er mal gesagt. Humor zu bewahren, ist die menschlichste Form der Würde. Woody Allen lebt es tapfer vor, am 1. Dezember wird er 80 Jahre alt.

Schon mit 16 hat er seine Karriere in der härtesten Disziplin begonnen, als Gag-Schreiber. Bald versuchte er es auch als Bühnenkomödiant. Schon damals hat er die Kunstfigur des zerknirschten, jüdischen Intellektuellen mit Beziehungsproblemen geschaffen und in seinem nervösen, neurotischen Linkischsein perfektioniert. Er wurde der hypersensible Selbstzweifler hinter der schwarzen Brille, der sich auch durch seine Filme bewegt. Zumindest seit er seine Komödien in Tragikomödien kippen ließ und New York als die ideale Kulisse für Helden aus der Sinnsucher-Bohème entdeckte.

Er hat auch grelle, absurde Komödien gedreht wie die Persiflage eines Aufklärungsfilms "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten". Er hat sich verkleidet, herumgealbert, zum Narren gemacht. Doch hatte das immer etwas Abgründiges, Melancholisches. Etwas, das über die Leere im Innern des Menschen hinwegspielen sollte und das nie ganz verbarg. Wie ein Boxer versetzte dieser Spaßmacher dem Leben eine Pointe und noch eine, obwohl doch jeder sehen konnte, dass er für diesen Kampf zu schmächtig ist. Mag sich Woody Allen in seinen Filmen auch durch noch so viele Beziehungsgeschichten winden, noch so oft in einem dieser brummenden New Yorker Restaurants über den Sinn des Lebens und den Reiz des Geschichtenerzählens fabulieren, Woody Allen wirkt immer zutiefst einsam. Wahrscheinlich mögen wir ihn darum so.

Dabei hat Allen sein Leben wie seine Arbeit immer geteilt, hat sich von Frauen leiten lassen. Mitte der 70er Jahre wurde Diane Keaton seine Lebens- und Schauspielgefährtin, dann Mia Farrow. Die Persönlichkeiten dieser Frauen bestimmten auch sein Schaffen. Mit Farrow hat Allen zwei Kinder adoptiert, das koreanische Waisenmädchen Soon-Yi hatte sie schon vorher bei sich aufgenommen. Nie teilten Allen und Farrow eine Wohnung, doch er verliebte sich in die 35 Jahre jüngere Koreanerin. Die Beziehung zu Farrow zerbrach. Es folgte eine jahrelange Schlammschlacht, in der Allen des Missbrauchs an Farrows leiblicher Tochter Dylan beschuldigt wurde.

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Das Gericht sprach ihn frei, die Vorwürfe der Siebenjährigen hätten gewirkt wie einstudiert. Doch das Paar hatte ja längst sein Innerstes nach Außen gekehrt. So wurde die Öffentlichkeit zum Richter und wollte Allen nicht davonkommen lassen. Sein Lebenswandel gab ja weiter Anlass für Gerüchte und Verleumdungen: 1997 heiratete er Farrows Adoptivtochter Soon-Yi, er war damals 61, sie 26 Jahre alt. Sie sei das Beste, das ihm je widerfahren sei, hat er danach immer wieder gesagt, und die Ehe hat Bestand bis heute. Doch in Hollywood befand man, Allens goldene Phase sei vorbei, die großen New-York-Filme "Der Stadtneurotiker" und "Manhattan", seine melodramatische Ingmar-Bergman-Verneigungen "Hannah und ihre Schwestern" und seine heiteren Krimis wie "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" waren ja gedreht. Was sollte noch kommen?

Allen ging nach Europa und zeigte es der Welt: In Barcelona, London und Paris drehte er mit den besten Schauspielern der Branche weiter Filme von einer ganz neuen, heiter-bösen Gelassenheit - weise Etüden über das Begehren, die Gier, die Schuld. Die Drehbücher sind elegant konstruiert, die Geschichten souverän inszeniert, man spürt in diesen Filmen das Selbstbewusstsein des gereiften Regisseurs. Und man mag auch diesen Woody Allen. Jedenfalls konnte er nach den Erfolgen in Europa wieder zurückkehren nach New York und dort weiterdrehen. In der Stadt, die er ein wenig mit geschaffen hat.

"Meine Mutter sagte immer, dass ich ein ganz fröhliches Kind war, bis ich fünf wurde." Das sind Woody-Witze, und wahrscheinlich sind sie wahr. Ungefähr seit jener Zeit hat sich der bekennende Hypochonder auch Gedanken über seinen Tod gemacht. Und beschlossen ihn abzulehnen. Woody Allen ist Atheist, er lässt sich vom Jenseits nicht trösten, darum arbeitet er diszipliniert gegen das Alter an - jedes Jahr mit einem Film. Jetzt will er es sogar mit einer Fernsehserie versuchen. Er wird sicher scheitern - und wir werden unser Vergnügen daran haben.

(dok)
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