Düsseldorf Der Kompromisslose - Filmemacher Peter Kern ist tot

Düsseldorf · Er war nie gefällig. Äußerlich nicht, mit seiner massigen Figur, die für Lebenshunger stand und für die Verachtung des Gezügelten und Konventionellen. Und ebenso wenig als Künstler. Dafür sah Peter Kern die Verhältnisse zu klar. Er konnte sich empören über die Kommerzialisierung und Seichtifizierung der Filmkunst oder die Homophobie einer heuchlerischen Gesellschaft oder die Abschottung Europas. Darum war seine Kunst zornig, sind seine Filme wilde, verstörende Machwerke, die Sehgewohnheiten unterlaufen, aufschrecken, nerven.

1949 in eine proletarische Familie geboren, wurde Kern in seiner Heimatstadt Wien Sängerknabe. Diese gedrillte Welt ließ er hinter sich, ging mit dem Musical "Hair" auf Tournee und wechselte bald auf die großen Sprechbühnen und vor die Kamera. Er arbeitete mit Regisseuren wie Fassbinder, Zadek, Wenders. War als Regisseur stark genug für Schauspieler wie Udo Kier und Helmut Berger. Für Rosa von Praunheim zeigte er sich in der Stricher-Doku "Die Jungs vom Bahnhof Zoo". Und manchmal war er nur "Der Räuber Hotzenplotz" oder "der dicke Herr Kern" im "Feuerroten Spielmobil".

Mit Schlingensief verband Kern der Glaube an die politische Kraft von Kunst. Mit ihm inszenierte er etwa "Hamlet" als Nazi-Aussteigerdrama, und es gab helle Aufregung, als das Stück auch in Düsseldorf gastieren sollte. Oft ist er angeeckt in der Stadt, die viele Jahre seine Wahlheimat war. Bis er 2001 mit dem "Wutschrei eines Empörten" wegging. Und als 2012 seine Nominierung zum Mitglied der Jury des Heine-Preises verhindert wurde, kam es wieder zum Eklat.

Mit seiner Doku "Der letzte Sommer der Reichen" war er zuletzt bei der Berlinale zu Gast, schon schwer krank, 80 Kilo leichter. "Ich bin arm, aber reich an Gedanken", sagte er damals und erzählte, dass er von 300 Euro Pension lebe. Bei einem seiner letzten Besuche in Düsseldorf sprach Kern darüber, wie sehr er sich der Gesellschaft entfremdet fühle. "Alle meine Weggefährten sind tot: Schlingensief, Fassbinder, Schroeter - Menschen, die wirklich Kunst gemacht haben." Nun ist noch einer gegangen, der kompromisslos war. Und den Preis dafür gezahlt hat. Er wurde 66 Jahre alt.

(dok)
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