Der Nachfolger von Jason Bourne

Drei Filme lang war Matt Damon als abtrünniger CIA-Agent auf der Flucht vor den eigenen Leuten. In "Das Bourne Vermächtnis" tritt Jeremy Renner seine Nachfolge an – in einer neuen Figur, die Jason Bourne nur ähnelt. Dieser vierte Teil der Reihe bietet lediglich gewöhnliche Action.

Da treibt ein lebloser Männerkörper im Wasser. Wie damals, als italienische Fischer Jason Bourne aus dem Mittelmeer zogen. Der hatte zwei Kugeln im Rücken und ein Implantat unter der Haut mit der Nummer eines Schweizer Bankschließfaches. Über sich selbst wusste Bourne leider nichts mehr. Totale Amnesie – gefährlich für einen CIA-Agenten, den die CIA loswerden will.

Diesmal aber muss niemand den Körper aus dem Wasser fischen. Der Mann kann noch schwimmen. Sehr zügig sogar. Ohne Sauerstoffflasche taucht Aaron Cross auf den Grund des Gletschersees, greift eine Kapsel mit Kartenmaterial und klettert im nächsten Augenblick in eisiger Umgebung an Land. Da fliegt die Kamera hinauf in die kargen Felsen, zeigt von oben, wie einsam dieser Mensch in den schneebedeckten Bergen steht. Er wird sich durchschlagen. Er ist ja Top-Agent und sich seiner selbst sehr sicher. Bournes Nachfolger steckt in keiner Identitätskrise. Trotzdem wird er bald gejagt werden – von den eigenen Leuten, der CIA.

Die bisherigen Thriller über den abtrünnigen Agenten Jason Bourne zogen ihre Spannung vor allem daraus, dass da ein Mann ganz allein gegen den amerikanischen Geheimdienst antrat und dazu noch herausfinden musste, wer er war, wer seine Verbündeten sein könnten und wer seine Feinde. Diese Agentenfilme waren keine Hochglanzprodukte wie die alten "James Bond" oder "Mission: Impossible", sondern zelebrierten geheimdienstlichen Naturalismus mit dreckigen Machenschaften, blutigen Schrammen, echtem Angstschweiß. Dazu gaben ungewisse Charaktere und die permanente Furcht, diverse Doppelspiele könnten auffliegen, der Geschichte so viel Spannung, dass es für drei Verfilmungen reichte.

Damit war es genug, dachte man. Und das dachte auch Regisseur Paul Greengrass, der die letzten beiden Bourne-Filme mit Matt Damon in der Hauptrolle gedreht hatte. Doch waren die Thriller so erfolgreich, dass die Produzenten die Geldmaschine nicht anhalten mochten. Greengrass und Damon stiegen zwar aus, doch als neuer Regisseur fand sich Tony Gilroy, der die Drehbücher für die ersten Filme verfasst hatte. Er musste sich zwar einigen Spott von Greengrass gefallen lassen, der etwa witzelte, der vierte Teil der Reihe dürfe nicht "Das Bourne Vermächtnis", sondern müsste "Die Bourne Überflüssigkeit" heißen. Doch Gilroy ließ sich nicht beirren und dachte sich eine neue Bourne-Agenten-Geschichte aus – in der die Hauptfigur Jason Bourne indes gar nicht mehr vorkommt.

Vielmehr kämpft die CIA in "Das Bourne Vermächtnis" mit den Folgen der Bourne-Katastrophe. Der Agent hatte ein geheimes Ausbildungsprogramm des Nachrichtendienstes auffliegen lassen und dadurch auch Nachbar-Programme gefährdet. Bevor nun Journalisten oder politische Gegner zu viele Fragen stellen, beschließt die CIA, alle Agenten aus diesem zweiten Programm zu töten. Die Kämpfer an der Geheimdienstfront in allen Teilen der Welt werden schlicht angewiesen, eine bestimmte Pille zu schlucken, schon tropft ihnen Blut aus dem Ohr, und sie schweigen für immer. Nur Cross ist zäher. Wie Vorgänger Bourne stellt er das eigene Denken nicht ein und sein widerspenstiger Geist rettete ihm das Leben. Zunächst wenigstens.

Gespielt wird dieser mentale Bourne-Nachfolger von Jeremy Renner. Der hat unter anderem in Kathryn Bigelows oscarprämiertem Kriegsdrama "Tödliches Kommando" jenen Bombenentschärfer gespielt, dem keine Lage zu brenzlich sein konnte, um seine Adrenalinsucht zu stillen. Harter Hund mit Tendenz zur Selbstzerstörung – diese Rollen liegen Renner.

Auch als Bourne-Nachfolger spielt er effizient, schnell, unsentimental, ein wenig wie Daniel Craig seinen James Bond, nur kerniger. Allerdings wirkt Renner wesentlich weniger verletzlich als Matt Damon – und das ist ein entscheidender Nachteil. Mit einem Bourne, den man für unverwundbar hält, zittert man nicht mit. Man beobachtet, wie er sich durchkämpft, vom Auto aufs Motorrad springt, Verfolger abhängt, Giftanschläge überdauert. Doch das ist nur noch Action-Revue. Kein doppeltes Spiel, keine Agentenraffinesse.

Zwar ist Rachel Weisz eine actiontaugliche Partnerin für Jeremy Renner, zäh auch sie, attraktiv sowieso, doch prickelnd sind nur die wenigen Minuten, in denen die beiden Hauptdarsteller aufeinander treffen. Da hätten sich Falltüren auftuen, doppeltes Spiel beginnen können. Doch das Drehbuch gönnt ihnen keine Überraschungen. Bald jagen sie nur noch durch Gassen, springen über Wellblechdächer und prügeln sich mit den Sicherheitsleuten eines Pharmakonzerns. Das ist rasant gefilmt, aber nun doch so oft dagewesen und von den Marvel-Superhelden in solche Leistungsextreme getrieben, dass man nicht mehr die Luft anhält. Der Mann auf Bournes Spuren hat sich vom verzweifelten Agenten in einen schnöden Actionhelden verwandelt. Das macht ihn verwechselbar, prima Tarnung eigentlich, nur fällt man im Filmgeschäft damit durch.

Und weil in diesem Thriller niemand hintertrieben hat, keine klugen Schachpartien gespielt werden, muss sich am Schluss auch nichts auflösen. So treibt dieser Bourne-Nachdreher kraftlos seinem Ende entgegen. ll

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort