Düsseldorf Der Sänger der Liebe wird 80

Düsseldorf · Leonard Cohen schrieb Lieder wie "Suzanne" und "First We Take Manhattan".

Er kehrte 2008 als Mönch aus dem Zen-Kloster zurück. Er nannte sich "Jikan", was so viel wie "der Stille" bedeutet, und er wollte seinen Lebensabend in Frieden genießen. Da wusste er indes noch nicht, dass seine Managerin in den fünf Jahren seiner spirituellen Abwesenheit alle Ersparnisse veruntreut hatte: Neun Millionen Dollar waren verloren. Leonard Cohen mag geseufzt und sich über den rasierten Schädel gestrichen haben, als er das hörte. Dann beschloss er, erneut auf Tour zu gehen. Seit sechs Jahren wandert er nun von Halle zu Halle. Es ist das größte Geschenk, das er uns machen konnte.

Cohen wird am Sonntag 80, und er war nie besser als heute. Es scheint, als habe seine Stimme erst jetzt die Tiefe und Weichheit, die es braucht, um diese Lieder über Sex, Religion, Anfechtungen, Verderben und Krieg zu interpretieren. Früher war die Vergeistigung, mit der er sich umgab, die Pose des Selbstverliebten, des romantischen Anarchisten, der keine Bomben warf, sondern Songs schrieb. Inzwischen versprüht Cohen den wissenden Charme dessen, der alle Genüsse gekostet hat. Seine Sinnlichkeit hat Würde. Und wenn er diese Zeilen aus "Suzanne" (1967) singt, muss er selbst schmunzeln: "He's touched your perfect body with his mind".

Cohen wurde in Montreal als Sohn eines Kleiderfabrikanten geboren. Der Großvater war Rabbiner, aber als junger Kerl baute sich Cohen seine private Religion aus Christentum, Buddhismus und Erotik. Er war bereits Mitte 30, als er die erste Platte veröffentlichte. Berühmt geworden war er lange zuvor als Dichter. In seinen vertrackten Romanen und der Lyrik, an deren finsteren Rändern stets der Kitsch lauerte, erzählte er von den Männern und den Frauen, und am Ende weinten zumeist die Frauen. Im richtigen Leben war es ähnlich. Marianne Ihlen etwa, die junge Norwegerin, verließ mit ihrem kleinen Sohn den Ehemann, um zu Cohen nach Hydra zu ziehen, wo der sich eine Dichterklause gekauft hatte. Er gab derweil Konzerte in New York, liebte Joni Mitchell und Janis Joplin (für die er "Chelsea Hotel No. 2" schrieb), wurde von Nico abgewiesen (der er "Joan Of Arc" widmete), und als er zurückkehrte, verließ ihn Marianne. Er druckte ihr Bild auf die Cover-Rückseite des Albums "Songs From A Room" (1969) und schickte eines seiner berühmtesten Lieder hinterher. Die traurigste Zeile in "So Long, Marianne" geht so: "I forget to pray for the angels / And The angels forgot to pray for us." Dass der häufig gemachte Vorwurf, Cohen könne nur Texte, aber keine Melodien, Unsinn ist, sieht man schon daran, dass heute noch so unfassbar viele Menschen dieses Lied und all die anderen summen können.

Mit den Kollegen Neil Young und Bob Dylan hatte Cohen nicht viel am Hut, ihm waren Baudelaire und Serge Gainsbourg wichtiger als Whitman und Woody Guthrie. Er war nicht wütend, sondern ironisch. Cohen ist der zweifelnde Gottsucher und glaubensstarke Hedonist unter den Songwritern, der Sänger der Zweierbeziehung. In den 80er Jahren nahmen ihm viele übel, dass er mit dem Synthesizer experimentierte und seine Lyrics auf modernistische Klanggebilde murmelte. Tatsächlich veröffentlichte er in dieser Zeit seine mächtigsten Songs: "Tower Of Song" etwa, "The Future" und "First We Take Manhattan".

Die Vollendung seiner Karriere ist die Tournee der späten Jahre - "legacy in progress". Die Biografie adelt das Werk, das Künstler-Ich die Performance. "There is a crack in everything / That's how the light gets in" singt er und schickt einen Lichtstrahl durch die Halle.

Wie schön, dass es ihn gibt.

(RP)
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