Köln "Der Staat greift massiv in den Handel ein"

Köln · Kunsthändler und Verbandsvertreter Thole Rotermund erneuert die Kritik am Kulturgutschutzgesetz.

Der Rubel rollt, möchte er am liebsten sagen. Doch Russen wurden bisher nicht gesichtet zum Auftakt der Cologne Fine Art. Prominente aus NRW hat Kommunikationsmanager Benjamin Agert in den ersten 48 Stunden empfangen, "die wahren VIPs kommen inkognito", sagt er. Erleichtert ist man, dass sich die beklemmende Situation des Terrors in Paris offenbar nicht negativ auf den Besuch des wichtigen Kunst-Marktplatzes ausgewirkt hat.

Händler berichten von guten Verkäufen auf dieser Leistungsschau des Rheinlandes. Doch hinter der Hand gibt es nur ein Thema an allen Ständen: das von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) geplante Kulturgutschutzgesetz, das seit Monaten die Kunstwelt von der Politik entzweit und nun in einer dritten Novellierung zur Beratung im Bundestag ansteht. Ab 2016 soll sich vieles ändern - für Händler, Galeristen, Sammler und Künstler. Alle von Grütters vorgesehenen Neuregelungen bringen vor allem zweierlei mit sich: erheblichen bürokratischen wie kostenintensiven Mehraufwand und eine individuelle Unfreiheit im Umgang mit Kunst, die man besitzt, sammelt oder verkauft.

Auch Thole Rotermund aus dem Vorstand des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler erneuert seine Kritik am Kulturgutschutzgesetz. Später als gewünscht hatte die Ministerin erst die Einwände und konstruktiven Vorschläge seines Verbandes angehört. In den ersten beiden Entwürfen hätte das Gesetz den Kunsthandel in Deutschland so gut wie "unmöglich gemacht", sagt Rotermund. Jede Bewegung eines Kunstwerkes, und sei es nur das Übermitteln eines Ansichtsexemplares an einen Interessenten im Ausland, bedeute hohen Verwaltungsaufwand. "Der Staat greift massiv in den Handel ein. Das kann der Freiheit der Kunst absolut nicht förderlich sein", meint Rotermund, der auch im Beirat der Cologne Fine Art sitzt. "Wenn man Kunst besitzt, hat man kein alleiniges Verfügungsrecht mehr."

Immerhin hätten die Einwände dafür gesorgt, dass die Grenzen von Wert und Zeit heraufgesetzt wurden. Ursprünglich sollten Bilder die älter als 50 Jahre und wertvoller als 150.000 Euro sind, nach den neuen Kriterien behandelt werden. Jetzt hat man sich auf 70 Jahre und einen Wert von 300.000 Euro verständigt.

Auch eine Reaktion wie die von Georg Baselitz sei durchaus hilfreich gewesen, die Ministerin nachjustieren zu lassen. Der renommierte deutsche Künstler hatte im Juli dieses Jahres, sogleich nach Bekanntwerden der Pläne zum neuen Kulturgutschutzgesetz, eine Reihe von persönlichen Leihgaben aus öffentlichen Sammlungen zurückgerufen. Was ein schwerer Verlust für die Staatlichen Kunstsammlungen von Dresden bedeutet, hat im Kulturministerium die Alarmglocken schrillen lassen.

Doch man wird sich künftig als Besitzer, Sammler oder Produzent von Kunst mit einem Gutachter-Komitee des Ministeriums darüber auseinandersetzen müssen, ob eine künstlerische Arbeit als national identitätsstiftend gilt, und - wenn ja - sie nicht ohne Weiteres ins Ausland gebracht werden darf. Das grenze an Absurdität, sagt Rotermund. Die in den USA verkauften Warhols aus der WestLB seien sicher identitätsstiftend für die Sammeltätigkeit in NRW gewesen. Aber die Blockade von Werken aus der WDR-Kunstsammlung sei fragwürdig. Über die Stradivari-Geige lasse sich freilich streiten, so Rotermund, jedoch das Kirchner-Bild ("Berglandschaft mit Almhütten") gehöre zu den unbedeutenden des Malers, das man derzeit in gleicher Güte auf der Cologne Fine Art erstehen könne.

(RP)
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