"Charlie Hebdo" auf Deutsch "Santé, aufs Beschnuppern und Prickeln im Bauchnabel"

Düsseldorf · Am Donnerstag ist die erste deutsche Ausgabe der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" erschienen. In der Ausgabe wird Angela Merkel von den Karikaturisten aufs Korn genommen. Die Zeichner zeigen unter anderem eine nackte Kanzlerin als "letzte Bastion der freien Welt".

 Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auf dem Titelblatt der ersten deutschen "Charlie Hebdo"-Ausgabe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auf dem Titelblatt der ersten deutschen "Charlie Hebdo"-Ausgabe.

Foto: dpa, kno

Aus #jesuischarlie wird heute #jesuisallemand: Denn die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" gibt es seit Donnerstag auch auf Deutsch. Die Zeitschrift ist hierzulande vor allem deswegen bekannt, weil islamistische Terroristen am 7. Januar 2015 einen Anschlag auf die Pariser Redaktion verübten.

Seither stieg die Auflage in Frankreich von knapp 30.000 auf wöchentlich 110.000, und auch in Deutschland ist das Interesse an der Satirezeitschrift gewachsen. Die erste deutsche Ausgabe hat eine Auflage von 200.000 Exemplaren. "Sie, chers amis, Sie können [Charlie Hebdo] von nun an kennenlernen: die Zeitung, von der Sie seit zwei Jahren so viel gehört haben. Sie haben in schwierigen Stunden an uns gedacht. Jetzt denken wir an Sie! Santé, aufs Beschnuppern und Prickeln um Bauchnabel", schreiben die beiden Chefredakteure Gérard Biard und Minka Schneider.

Das "Charlie" im Namen ist eine Hommage an die Comicfigur Charlie Brown und ihren Erfinder Charles M. Schulz. "Hebdo" ist die Abkürzung für das französische Wort für Wochenzeitung (hebdomadaire).

In der ersten Ausgabe werden unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel und die AfD-Vorsitzende Frauke Petry karikiert. Die Karikaturisten nehmen Merkels vierte Kandidatur für das Amt der Bundeskanzlerin aufs Korn. Einer zeichnet etwa ein stilisiertes Wahlplakat mit Merkel und dem Slogan "Wählt, Mutti!". Merkel sagt "sonst ab in die Ecke" und in der Ecke steht ein Typ und heult. Natürlich findet sich auch um einiges Deftigeres und Böses in der Ausgabe, etwa eine nackte Merkel, die als "letzte Bastion der freien Welt" dargestellt wird inklusive Stacheldraht-Gürtel um die Hüfte. Die Titelstory der Ausgabe ist ein Comic über "Rabenmutti und Vaterstaat: Wer lebt glücklich in Deutschland?".

Philippe Lancon ist seit 2003 Kolumnist bei "Charlie Hebdo". Er gehörte zu den Schwerverletzten des Attentats und schreibt in seiner Kolumne über seine Verletzungen. "Vor zwei Wochen begann sich die Prothese zu bewegen, die ich im Hals trage. Sie wird runder, sie sackt etwas ab. Man könnte sie für einen Embryo halten, der nach dem Ausgang sucht." Der Herausgeber "Riss" schreibt in der ersten deutschen Ausgabe einen Leitartikel über die Kandidatur Francois Fillons bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2017. "Wie weit ist es mit uns gekommen", fragt Riss. "Sollte Fillon gewählt werden, hätten wir den ersten französischen Staatspräsidenten, der sich für Autorennen und Auspuffrohre interessiert."

Die 1970 gegründete Satirezeitung macht sich unbekümmert über Politiker und andere Prominente lustig und lotet dabei regelmäßig die Grenzen der Pressefreiheit aus. Während die einen den respektlosen Humor der Satirezeitung schätzen, kritisieren andere die Karikaturen als geschmacklos, obszön und beleidigend. Insbesondere die scharfe Religionskritik des Blatts geht einigen zu weit. Immer wieder wurde "Charlie Hebdo" wegen seiner Karikaturen verklagt.

In Deutschland reagierte Nutzer der sozialen Medien überwiegend positiv auf die erste deutsche Ausgabe.

Die Zeitschrift soll von nun an wöchentlich erscheinen.

Mohammed-Karikaturen und der Anschlag auf die Redaktion

Mit der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen zog "Charlie Hebdo" wiederholt die Wut von Muslimen auf sich. Im November 2011 wurde ein Brandanschlag auf die Redaktionsräume des Blatts verübt. Zuvor hatte "Charlie Hebdo" den Propheten des Islam in einer Karikatur scherzhaft zu seinem "Chefredakteur" ernannt.

Am 7. Januar 2015 stürmten zwei Islamisten die Redaktionsräume der Zeitung in Paris während einer Redaktionskonferenz und erschossen zwölf Menschen. Unter den Opfern waren der unter Polizeischutz stehende Zeitungschef und Zeichner Charb und die bekannten Karikaturisten Cabu, Tignous, Honoré und Wolinski. Die Täter schrien bei ihrer Flucht "Wir haben den Propheten gerächt! Wir haben Charlie Hebdo getötet!"

Heute arbeitet die "Charlie Hebdo"-Redaktion an einem geheimen, streng bewachten Ort, die bekanntesten Mitarbeiter stehen unter Polizeischutz. Wiederholt gab es Morddrohungen gegen die Redaktion.

Mit Agenturmaterial

(heif)
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