Analyse Ein Buchpreis wird inszeniert

Frankfurt/M. · Mit der gestern veröffentlichten Longlist der Preis-Anwärter für den besten Roman des Jahres soll der Buchmarkt angekurbelt werden.

Auf diese Liste hat die Welt gewartet - zumindest jener Kontinent, der sich vom Handel mit Büchern nährt. Denn darum geht es zunächst beim Deutschen Buchpreis, den der zuständige Börsenverein vor zehn Jahren erfand und der zu den lukrativen Erfindungen der Branche zählt. In mehreren Zündstufen wird die Vergabe inszeniert, und so sind wir gestern nach der Nominierungsphase mit der Longlist beschert worden.

Wie der Name vermuten und der Kürmodus aus den vergangenen Jahren erwarten lässt, wird noch die Shortlist folgen, aus der dann am Vorabend der Buchmesse zu Frankfurt endlich der Sieger erkoren wird - im Beisein der fünf anderen sogenannten Finalisten. Diese kassieren ein Schmerzensgeld in Höhe von 2500 Euro; der Gewinner trägt das Zehnfache nach Hause.

Die Longlist ist das erste kleinere Spektakel mit entsprechend spektakulären Reaktionen: Verlage schickten gestern aufgeregt frohe Botschaften herum, da es einer ihrer Autoren geschafft hatte. Ein kleinerer und ambitionierter Literaturverlag aus der Steiermark fand gleich zwei Titel seiner neuen Romane auf der Liste, worauf seine Mitteilung mit den Worten anhub: "Das hat es noch nie gegeben . . ."

Zur Erinnerung: Dieses Frohlocken meint eine Vor-Vor-Nominierung zu einem der nicht gerade wenigen deutschen Buchpreise. Die Prozedur soll das Reden über Literatur und damit das Geschäft beflügeln. Und da es ein Geschäft mit schönen Büchern ist, könnte es uns eigentlich nur recht sein. Eine Win-win-Situation, wie man heute so sagt, wenn einem das Wort Interessensausgleich zu piefig vorkommt.

Das Ausscheidungsverfahren mag zwar als Inszenierung erfolgreich sein, doch wird es der Literatur kaum gerecht. Weil all die jetzt berufenen Lapperts und Kopetzkys, Mahlkes und Schwitters, Setz' und Trojanows nur eine Art Nährboden sein werden, aus dem der Sieger Anfang Oktober hervorgeht. Anders als bei den Bestsellerlisten und Hitparaden - auf denen alle Titel präsent und existent bleiben - wird im Showdown des Buchpreises aussortiert, endgültig zur Seite gelegt, ungeeignet zur Wiedervorlage. Literatur aber ist stets ein Kosmos von Büchern und nur als solcher auch zu verstehen. Das Auswahlverfahren hingegen ist eine Art literarisches Dschungelcamp: Einer wird gewinnen; die anderen verlassen die Arena und entschwinden flugs unserer Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Die Teilnehmer haben später nicht den Nimbus der Nominierten, sondern den Makel der Ausgesiebten - mitunter garniert mit entsprechender Häme.

Genörgelt wurde darum über den Deutschen Buchpreis schon oft. Handke verweigerte 2008 seine Teilnahme ebenso wie in diesem Jahr ein anderer Autor mit Erfolgsaussichten: Ralf Rothmann. Der ließ sich von seinem Verlag erst gar nicht listen und verweigerte sich höchst vornehm, also literarisch - mit den Worten des unsterblichen Bartleby: "Ich möchte lieber nicht" ("I would prefer not to").

(RP)
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