Köln Die Abenteuer von Amor und Psyche

Köln · Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt einen bemerkenswerten Kupferstich-Zyklus aus der Renaissance - mit Happy End.

Der Hunger nach Bildern verfolgt die Menschen schon seit Jahrtausenden. Als er noch nicht so leicht zu stillen war wie heute, im Zeitalter des Films, der Selfies, der Wackelvideos und der Werbung, befriedigte das Volk seine Schaulust durch Kupferstiche. Sie verbreiteten Motive der Malerei, die den oberen Zehntausend vorbehalten war, über ganz Europa, vermittelten Eindrücke von fremden Ländern und Sitten und entfachten oft auch Leidenschaften. Schließlich war Liebe auch in der Renaissance schon das große Thema schlechthin.

Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum hat wieder einmal sein Depot geöffnet und daraus eine alte Bildergeschichte hervorgezaubert, die Betrachter auch heute noch in ihren Bann zieht. 32 Kupferstiche eines namentlich nicht bekannten "Meisters mit dem Würfel" erzählen die Geschichte von Amor und Psyche, wie sie in den "Metamorphosen" des Apuleius aus dem 2. Jahrhundert nach Christus nachzulesen ist. Der italienische "Meister mit dem Würfel" wurde so genannt, weil er die ihm zugeschriebenen Werke mit einem kleinen Würfel und den darauf stehenden Buchstaben B (V) zeichnete. Er war vermutlich im Rom der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts tätig, kannte Raffaels Deckengemälde in der römischen Villa Farnesina und war sich auch bewusst, dass Raffael nur das glückliche Ende der Geschichte von Amor und Psyche verewigt hatte: Psyche heiratet Amor auf dem Olymp und wird unsterblich. Der Meister mit dem Würfel griff in seinem Zyklus dagegen auf Perino del Vaga zurück. Der stellte in seinen Kupferstichen auch die Irrungen und Wirrungen dar, die dem Happy End vorausgingen, und kam damit sicherlich dem Geschmack des an amourösen Abenteuern interessierten zeitgenössischen Publikums entgegen.

Wenn man im Halbdunkel des grafischen Kabinetts die lichtempfindlichen 32 Blätter abschreitet, erlebt man in der Tat beste Unterhaltung. Mit einem Faltblatt in der Hand lässt sich jede dramatische Wendung verstehen. Dabei fällt auf, dass sich die Abenteuer nicht in den Gesichtern der Beteiligten spiegeln, sondern einzig und allein in Gesten und der Konstellation der Personen.

Die Geschichte geht mit einigen Auslassungen so: Psyche ist über alle Maßen schön. Das Volk hält sie für eine irdische Venus und verehrt sie wie eine Göttin. Die darob erboste Venus gebietet ihrem Sohn Amor, Psyche durch die Liebe zum elendesten aller Menschen zu strafen. Doch Amor verliebt sich selbst in Psyche. Auf Blatt vier des Zyklus sieht man noch, wie sehr das Volk die Schöne verehrt. Auf Blatt elf ist es bereits geschehen: Amor hat seine Waffen abgelegt und ist zu Psyche ins Bett gestiegen. Wie glücklich das Paar ist, davon kann man sich anhand unserer Abbildung überzeugen. Allerdings hat Amor seiner Geliebten das Abenteuer nur unter der Bedingung gewährt, dass sie ihn nicht anschaut.

Liebe ruft oft Neider auf den Plan. In diesem Fall missgönnen Psyches Schwestern der Verliebten das Glück. Sie reden ihr, der mittlerweile Schwangeren, ein, das ihr unbekannter Liebhaber ein Schlangenmonster sei, das sie nach der Geburt ihres Kindes auffressen werden. Und sie raten ihr, der Tat zuvorzukommen. Blatt 15 enthält die Schlüsselszene dieser Renaissance-Soap: Statt einer Schlange erkennt sie Amor, der aber flieht.

Ein Selbstmordversuch misslingt der Psyche - zum Glück für den Betrachter der Bilder, denn jetzt kann die Geschichte ihrem glücklichen Ende zustreben. Das letzte Blatt ähnelt dem elften. Im Rückgriff auf die erste Begegnung zwischen den Liebenden malt es die Hochzeitsnacht aus. Bald wird Psyches Tochter zur Welt kommen. Sie trägt den Namen Voluptas (für Wolllust) und krönt damit den Bilderbogen: Alles wird gut, und das Leben geht weiter.

Dem Zyklus des Würfel-Meisters sind einige Werke vor allem italienischer und niederländischer Künstler zum selben Thema beigegeben, darunter ein farbiges Aquarell des deutschen Romantikers Moritz von Schwind. Amor zielt mit seinem Pfeil auf die schlafende Psyche. Das wirkt lieblich, aber längst nicht so schicksalsschwer wie das herbe Schwarzweiß des Meisters mit dem Würfel.

(RP)
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