Die afrikanische Zeitbombe

Tom Burgis, ein Autor der "Financial Times", analysiert das Elend Afrikas.

Afrika, der dunkle Kontinent, bildet die strategische Gegenküste zu Europa, getrennt durch das Mittelmeer. Dort geht die "Plünderung Afrikas" durch Diktatoren und Konzerne ungebremst weiter. Dies ist das Thema des Erstlingswerks von Tom Burgis, Auslandsreporter der "Financial Times". Sein Obertitel: "Der Fluch des Reichtums".

Afrika, das sind Diamanten und Gold, Erdöl und Erdgas, und nicht zuletzt Erze, von Zinn bis zu Coltan, unentbehrlich für elektronische Artikel wie Mobiltelefone. Seit Jahrzehnten werden die Lagerstätten ausgebeutet, im Kongo, in Angola, in Nigeria. Den Afrikanern kommt das kaum zugute. Denn sie werden von diktatorischen Stammesfürsten in Ländern regiert, für die das Attribut "gescheiterter Staat" Schönfärberei ist. Und hier liegt der Schwerpunkt der Schilderung: Zur Sicherung ihrer Macht brauchen die Putschisten für ihre Klientel aus Milizen und Stämmen Bargeld und Pfründen, die sie billig gegen Abbaurechte für Rohstoffe erhalten und verschleudern: korrupte, tribalistische Eliten, ohne Staatsräson und damit ohne Grundlage für den Aufbau eines funktionierenden Nationalstaates. Burgis schildert ausführlich die Folgen, die Leiden der Bevölkerung bis hin zu Pogromen unter den Verliererstämmen. Geopolitisch interessant sind die Passagen über die chinesische Strategie in Afrika, gut strukturiert die Kapitel über das verhängnisvolle, weil unentwirrbar erscheinende Netz gegenseitiger Abhängigkeiten von Diktatoren und internationalen Firmen. Es macht die These vom "Fluch des Reichtums" so bedrückend: Der Westen mit seinen subventionierten Agrarprodukten und der Osten mit seinen billigen Industrieprodukten zerstören oft die vorhandene bäuerliche und industrielle Produktion.

So wird Afrika trotz seiner Rohstoffe, teilweise beträchtlicher Wachstumsraten und einer langsam wachsenden Mittelschicht immer mehr zum scheiternden Kontinent. Denn im Gegensatz zur Bevölkerungsexplosion im Europa des 19. Jahrhunderts wird die in Afrika nicht durch eine parallel verlaufende Industrialisierung begleitet. Die Zahl der Menschen hat sich im 20. Jahrhundert verzehnfacht. Zugleich setzt sich in Afrika das Bevölkerungswachstum ungebremst fort, der Kontinent wird zur Zeitbombe.

Burgis ist oft vor Ort, an den Brennpunkten. Und die schildert er eindrucksvoll. Mit Kommentaren hält er sich zurück. Was die afrikanische Entwicklung für Europa bedeutet, ist nicht sein Thema. Und so ist das Buch eher für Geschäftsleute, Entwicklungshelfer, Blauhelme, Ministerialbeamte geeignet, die mit Afrika zu tun haben. Was die Forderungen nach einem "Marshallplan" für Afrika bewirken sollen, bleibt mehr als fraglich. Von den bisher geleisteten "800 Milliarden Entwicklungshilfe sind 600 in den Taschen von Diktatoren und korrupten Eliten gelandet" (FAZ, 23. 09. 2016).

(RP)
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