Düsseldorf Die Diva schwächelt: Hingeschluderte Texte von Peter Handke

Düsseldorf · Jedes falsch gesetzte Komma fasste er als persönlichen Angriff auf. Wenn ihm vor der Drucklegung eines Manuskriptes die fremden Korrekturen nicht passten, schimpfte er den verantwortlichen Mitarbeiter "geistesgestört" und wetterte, der eigene Verlag habe ihm "die Glaubwürdigkeit seiner Sprache entzogen." Es kam vor, dass die Vorabexemplare für Journalisten nicht verschickt werden konnten, weil der Schriftsteller mit seinen Veränderungen am Text kein Ende finden konnte. Peter Handke kann eine Diva sein. Umso erstaunlicher ist es, dass jetzt gleich zwei Bücher erscheinen, die fast ein wenig hingeschludert erscheinen.

Vor allem der Band "Tage und Werke" enttäuscht. Er enthält knapp 50 Texte. Die meisten sind in den vergangenen 15 Jahren entstanden. Reden, Kritiken, Nachworte zu Autoren und Büchern - "Begleitschreiben", wie sie im Untertitel genannt werden. Manche von ihnen in eigener Sache, wie die Auseinandersetzung um den Heine-Preis oder den Rechtsstreit im Suhrkamp Verlag. Dann gibt es da aber auch noch 13 Radiofeuilletons mit Buchtipps, die der junge Handke Mitte der 1960er Jahre für Radio Steiermark produzierte. Ein Kessel Buntes also, in dem der einzige rote Faden der Bezug zur Literatur ist.

Wüsste man es nicht besser, hätte Peter Handke nicht auch in den vergangenen Jahren hervorragende Texte geschaffen, würde man glauben, er muss als "Rest of" schon die übrig gebliebenen Krümel zusammenklauben. Den Theaterdirektor Claus Peymann, "der, wenn er telefoniert, mit gleichwem?, sich immer erst verbinden lässt", nennt Handke liebevoll einen "geisterweckenden Provokateur". Den Lyriker Tomas Tranströmer, in dessen Nominierung für den Literaturnobelpreis er eine überfällige "Entscheidung für die Dichtung und die Poesie" sieht, bezeichnet er als "Elementarschreiber". Und am westfälischen Dichter Ernst Meister bewundert er "das stetige wilde Todes- und Sterbenmüssenbewustsein".

Doch Handke wäre nicht Handke, wenn er nur lobende Worte finden würde. Die Besprechung von Friederike Mayröckers "Vogel-Greif"-Gedichten nutzt er, um dem Kollegen Uwe Tellkamp an den Karren zu fahren, der im Klappentext von einer "Sprachzauberin" spricht. Solch "falscher Posaunenstöße" bedürfe es nicht: "Wäre ich nicht schon seit längerem ein Leser Friederike Mayröckers - Lesen als Mitbuchstabieren, Entdecken, Welt- und Selbsterforschen -, hätte solch Geschwafel mich weggejagt von diesem Buch, woandershin, in den Wald, ins Kino, zu einem anderen Buch." Im selben Text kritisiert Handke die "vorgefasste, gefahrlose Methodik" in den Büchern von Herta Müller, die seiner Ansicht nach "gefälschte Literatur von A bis Z sind". Eine Lanze dagegen bricht er für Dag Solstad, Dragan Aleksiæ oder Xaver Bayer und ihre "Primärliteratur", die "unmaskiert" daherkomme.

Nicht viel besser ist das zweite in diesem Jahr erschienene Buch Handkes, ein "Notizbuch" aus dem Jahr 1978, entstanden auf einer Amerikareise, die er in "Langsame Heimkehr" verarbeitete. Wenn schon so ein Heft veröffentlichen, um die Arbeitsweise des Autors zu zeigen, wie Raimund Fellinger im editorischen Nachwort schreibt, warum dann nur in Auszügen? Weil alles andere das Format der Insel-Bücherei sprengt? Das mag nicht überzeugen. So bleibt der Eindruck, dass auch dieses Büchlein nur zusammenfasst, was vom Tagewerk übrig blieb.

Wer kein Handke-Jünger ist, kann die Finger von beiden Büchern lassen.

Info Peter Handke: "Tage und Werke. Begleitschreiben", Suhrkamp, 288 S., 22,95 Euro. Peter Handke: "Notizbuch. 31. August 1978 - 18. Oktober 1978", Insel-Bücherei Nr. 1367, 68 S., 13,95 Euro

(RP)
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