Düsseldorf Die einzige Frau, die Picasso verließ

Düsseldorf · Françoise Gilot war eine Muse des Malergenies und Mutter seiner Kinder. Die Trennung beleuchtet ein neues Buch.

Sie war zarte 21, als der 61-jährige Maler sie entdeckte und für sich einnahm. Er hatte sich schneller in sie verliebt als sie in ihn. Sie siezte ihn während der zehn Jahre, die sie zusammenwaren, während Picasso sie duzte. Obwohl Françoise Gilot in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen hatte, Mutter zu werden, gebar sie ihm zwei Kinder, Claude und Paloma. Er malte viele Bilder von ihr, so wie er es stets tat von den Frauen, mit denen er sein Leben teilte. Bilder gibt es von Olga Khoklova, Marie-Thérèse Walther, Dora Maar und seiner letzten Gefährtin Jacqueline Roque.

Obgleich er ein Maler des 20. Jahrhunderts war, verhielt sich Pablo Picasso seinen Frauen gegenüber wie ein Spanier aus dem 19. Jahrhundert. Er war wohl ein Macho, der die Frauen in Besitz nahm, von sich abhängig machte, dominierte und immer wieder betrog. Am Ende liest sich die Bilanz seiner Liebesaffären als Tragödie: Jacqueline und Marie-Thérèse begingen Selbstmord, Olga und Dora endeten im Wahnsinn.

Nur von einer ist bekannt, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hatte und die Kraft hatte, das Malergenie aus eigenen Stücken zu verlassen. 1953, am 23. September, packte Françoise Gilot zahlreiche Koffer, setzte ihre beiden Kinder in ein Taxi und verließ die Villa La Galloise im südfranzösischen Vallauris - das Haus, in dem sie als Familie gelebt hatten. Picasso soll getobt und gesagt haben: "Keine Frau verlässt einen Mann wie mich". Für Gilot begann der Weg in eine neues, freies Leben. Der beleidigte Maler machte ihr fortan dieses Leben schwer, ließ sie von seinem Sekretär Sabartés in Paris beschatten und sorgte dafür, dass die Galeristen in Paris von der Malerin Françoise Gilot keine Bilder ausstellten. Im Dezember desselben Jahres, in dem er verlassen wurde, muss Picasso furchtbar einsame Weihnachten erlebt und doch wenige Tage danach, am 29. Dezember, noch einmal seine geliebte Françoise gemalt haben - zahlreiche Bilder gibt es von ihr. Später nach der Trennung hat er sie immer noch gemalt, oft mit den beiden gemeinsamen Kindern Claude und Paloma, die er abgöttisch liebte.

Auf die Geschichte dieser großen Liebe mit der vielleicht folgerichtigen Trennung, die offenbar mehrfach angekündigt oder angedroht worden war, wirft ein soeben erschienenes Buch ein neues Licht. Gilot hat sich in vielen Begegnungen dem Autor Malte Herwig erklärt, ihm nicht nur die Begebenheiten aus der Vergangenheit und der Gemeinsamkeit mit dem berühmtesten Maler des 20. Jahrhunderts erzählt, sondern auch die Gründe ihres Handelns, ihre Lebensmaximen erklärt. Wenn Picasso sie einmal die "Frau, die nein sagt", nannte, dann hatte er sich nicht in seiner Einschätzung geirrt. Sie stammte aus einem guten Elternhaus, in dem es formell zuging - daher auch das Siezen. Sie hatte sich schwergetan, zu Picasso zu ziehen, ihre Beziehung dauerte schon ein paar Jahre, bevor sie sich dazu entschließen konnte. "Ich wollte eine Affäre haben", so wird sie im Buch zitiert, "aber nicht mehr." Bald hatte sie aber seinem Drängen nachgegeben. Obwohl sie spürte, dass es ein Fehler war, zog sie zu ihm. In den ersten Monaten ihres Zusammenseins verließ sie nicht das Haus. Sie schaute ihm beim Malen zu, saß nur einmal Modell, stellte ihr eigenes Malen zurück. Für einen zweiten Maler neben Picasso sei kein Platz gewesen, gibt sie zu Protokoll. Schließlich habe er auf Kinder gedrängt. Obwohl sie nicht wollte, ließ sie es geschehen. Im Buch liest sich die Geschichte so: "Ich sah weiblich aus, aber in meinem Inneren war ich ein Junge, und ich hasste es, schwanger zu sein." 1947 kam Claude zur Welt, 1949 Paloma, zwei Halbgeschwister gibt es noch.

Es müssen auch viele glückliche Momente gewesen sein in dieser Verbindung. Davon berichtet das Bild, das Robert Capa 1948 am Strand von Golfe-Juan schoss: ein Bild reiner Lebensfreude. Gilot erinnert sich noch an diesen Tag, an dem sich Picasso, "das gerissene Genie", den Schirm schnappte, um zu bestimmen, wo Licht und Schatten zu sein hatten. Meist waren es die anderen, die in seinem Schatten stehen sollten. Doch Gilot hatte er unterschätzt. Ihr Gesicht strahlt in der Sonne, sie lacht ihn einfach weg. Eine Frau, die einen Mann verlässt, ist noch keine Siegerin über ihr Leben. Aber eine Frau, die Picasso nein sagt, ist eine Heldin.

(RP)
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