Die ersten blutigen hundert Jahre des Islam

Heftig wird darüber gestritten, ob der Islam zu Europa gehört. Der Islamwissenschaftler Lutz Berger untersucht jene dunkle Epoche, in der Mohammed eine neue Religion formte und die ersten Kalifen herrschten. Obwohl der Autor faktenreich und kritisch den Forschungsstand resümiert, beantwortet Berger die eingangs erwähnte Frage leider nur bruchstückhaft und widerspruchsvoll. Das erste Drittel des Buches widmet er dem Christentum der römischen Kaiserzeit, denn der Islam sei in der "spätantiken Welt verankert" gewesen. Lebten Christen, Juden und Muslime in einem historischen Umfeld?

Berger selbst korrigiert diesen missverständlichen Ansatz. Zwar hat Mohammed viele Stellen der Bibel in die neue Lehre eingebaut, aber trotzdem ein unabhängiges religiöses Werk geschaffen, das die arabischen Stämme vereinigte. Nun handelten die Sippen, "die sich nie zuvor als politische Einheit wahrgenommen hatten, als Gläubige gemeinsam" und attackierten Byzanz, das Perserreich und Europa.

Höchste Autorität erlangte Mohammed, der Widersacher militärisch bekämpfte, dank seiner Feldherrnkunst. In Medina lebende Juden ließ er großenteils ausrotten. Bereits die frühen Muslime, so Berger, "bildeten eine Herrenschicht", die "Ungläubige" diskriminierte.

Nach dem Tod des Propheten 632 eroberten arabische Truppen ein riesiges Imperium; im 8. Jahrhundert wehte die grüne Fahne von Spanien bis Westasien. Berger rühmt die "logistischen Fähigkeiten" der Gotteskrieger; auch die Kollaboration lokaler Gruppen in vielen okkupierten Ländern sei zu berücksichtigen. Ohne den religiös fundierten Kult der Gewalt hätte jedoch der Islam schwerlich den halben Erdkreis bezwungen.

Hingegen hat das Christentum aufgrund einer langen Missionierung durch das Wort obsiegt. "Islam" bedeutet "Unterwerfung"; der Muslim gehorcht dem Koran wie einem Gesetz und kennt nicht die Freiheit des Gewissens. Mohammed hielt Gott für unergründlich und weit entfernt; nichts gleicht der spätantiken Christologie oder gar der Scholastik. Dieser systematisch-analytische Vergleich der Religionen fehlt dem Buch.

Lutz Berger: Die Entstehung des Islam. Die ersten hundert Jahre. C. H. Beck, 334 S., 26,95 Euro.

(RP)
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