Düsseldorf Die Fee der Generation Smartphone

Düsseldorf · Sängerin von Florence & The Machine fordert vom Publikum: "Knuddelt euch!"

Bevor Florence & The Machine die ausverkaufte Mitsubishi Electric Halle stürmen, klingt es, als spräche die Bühne selbst. Das verlängerte Intro von "What The Water Gave Me" ist ein Ächzen und Stöhnen, ein metallisches Flirren. Wenn so die Wehen der modernen, technisierten Welt klingen, dann ist absolut erstaunlich, was sie gebären: ein zauberhaftes, leichtes, wehend-weißes Flatterwesen. Ein Hippie-Mädchen für die Generation Smartphone - dessen Benutzung sie zwischenzeitlich verbieten lässt.

Schon im ausgelassenen Finale des Eröffnungssongs hüpft Florence Welch barfuß über die Bühne wie ein Flummi, wedelt mit ihren feuerroten Haaren und bereitet ihre Stimme auf die volle Intensität vor. Die erreicht sie mit "Ship To Wreck", dem ersten Stück des aktuellen Albums "How Big, How Blue, How Beautiful". Darauf hat ihr Indie-Pop die größtmögliche Perfektion und im Prinzip Stadiontauglichkeit erreicht. Durch die Hintergründe der Songs schweben Hall-Gitarren wie bei U2, den Kings of Leon oder Coldplay.

Doch Florence Welch kriegt den Spagat hin, sich und ihrer Musik auch das Verspielte, Feenhafte oder eben Hippieeske zu bewahren. Da trällern mädchenhafte Chöre, im Titelstück des aktuellen Albums grüßen Beatles-Bläser. Und an den Ein- und Ausgängen mancher Songs zirpt plötzlich eine Harfe - wie bei New-Folk-Ikone Joanna Newsom.

Zu "Third Eye" tut Florence Welch etwas auf aktuellen Konzerten eigentlich Undenkbares: Sie bittet ihre Fans, wenigstens für die Dauer des Lieds die Smartphones wegzustecken. "Es kann schön sein, auch mal nach oben zu blicken", sagt sie und ruft aus: "Es gibt auch andere Möglichkeiten, Augenblicke zu teilen!" Kurz vor der Zugabe fordert sie jeden der 7200 Fans auf, ein Kleidungsstück auszuziehen, damit zu wedeln, einen anderen zu umarmen. "Knuddelt euch, patscht euch in den Gesichtern rum", sagt die Sängerin, und die meisten folgen.

Liebt euch, teilt eure Freude, aber tut das "im echten Leben" - das ist Florence Welchs Botschaft, und sie verbreitet sie im Glimmer- und Glitzer-Bühnenbild zu einem Soundtrack, der auf der Höhe seiner Zeit ist und eine erstaunliche Entwicklung hingelegt hat.

Angefangen haben Florence & The Machine 2007 als Duo aus der Frontfrau und Isabella Summers, die heute am Keyboard steht. Nach nur drei Alben haben sie einen Sound formuliert, der genauso an den großen Pop der späten 1980er- und 90er-Jahre anschließt wie an die verspielte Indie- und Folkbewegung Anfang des neuen Jahrtausends. Florence & The Machine machen ihn mit Schrammel-Gitarren, Harfe, aber auch geschmeidigen Schlagzeug-Beats und Synthesizer-Flächen zu ihrem eigenen Werk: einem Kondensat aus mehreren Jahrzehnten Popmusik und einem gehörigen Schuss Liebe.

(RP)
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