Kurzkritiken Die junge Argerich - ohne Schwefeldampf

Sie war noch kein Weltstar, als der WDR und der NDR Rundfunkaufnahmen mit Werken von Mozart, Beethoven, Prokofjew und Ravel mit der damals 19-jährigen Martha Argerich machten. Einen Tonträger davon gab es nicht. Erst jetzt, zu ihrem 75. Geburtstag, sind die Mono-Aufnahmen auf zwei CDs erschienen. Was der Teenager am Klavier leistete, verwies die Tastenlöwen der damaligen Welt auf die Plätze. Bereits damals war der Personalstil Martha Argerichs ausgereift. Kennzeichen dieses Klavierspiels ist eine Virtuosität, die alles Meisterliche und Akademische abstreift und den Anschein erweckt, als seien Urgewalten am Werke. Technische Hürden nimmt sie auf wahrhaft undressierte Weise.

Bei aller Rasanz bewegt sich die Argentinierin nah am Notentext. Sie bauscht die Stücke nicht auf, und bei ihr riecht es sozusagen nicht nach Pech und Schwefel. Die damalige Newcomerin spielt makellos und frei von Pedalnebel. Ob Mozarts späte D-Dur-Sonate KV 576, Ravels "Gaspard de la nuit" oder die Toccata von Prokofjew - Argerich zeigt sich den hohen technischen und musikalischen Ansprüchen auf verblüffende Weise mehr als gewachsen. Bei ihr klingt alles leicht und selbstverständlich, nicht nach Arbeit, sondern nach Naturereignis und freier Entfaltung ihres musikalischen Temperamentes. Dies zu hören, bereitet zugleich Erstaunen und Genuss. Patrick Starbatty

(RP)
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