Düsseldorf Die liebenswerte Giftspritze der Literatur

Düsseldorf · Heute vor 90 Jahren wurde Truman Capote geboren. Eine lesenswerte Biografie erinnert an ihn.

Heute wäre Truman Capote 90 Jahre alt geworden, und vielleicht gibt es nur eine Möglichkeit, diesen Autor angemessen zu würdigen: indem man die großartige Capote-Biografie von George Plimpton liest. Der Herausgeber der legendären Literaturzeitschrift "Paris Review" lässt in seinem Buch "Truman Capotes turbulentes Leben" Freunde, Feinde, Bewunderer und Konkurrenten zu Wort kommen. Der Band bietet oral history, und alle plaudern und tratschen, sie zürnen und jammern, dass es eine Freude ist: Lauren Bacall, Lee Radziwill, Paul Bowles, Marella Agnelli, Mia Farrow, Joan Didion und so viele mehr. Gore Vidal etwa, Capote stets in Abneigung verbunden, sagt über Capotes Buch "Erhörte Gebete", das der Schöpfer seinen "Proust-Roman" nannte: "Truman dachte, Proust habe Tratsch über die Aristokratie gesammelt und in Literatur verwandelt. Aber er hatte Proust nie gelesen. Im fehlte die Konzentration, und natürlich konnte er kein Französisch und interessierte sich nicht für Geschichte."

Das gemeine Zitat von Vidal steht ziemlich am Ende des Buches. Am Anfang sind sie noch alle netter zu Capote. Er war ein armer "Elfenjunge", so nennen sie ihn: von den Eltern verlassen und von Verwandten in Monroeville aufgezogen, wo er Tür an Tür mit Harper Lee lebte. Er half Lee später bei ihrem Jahrhundertroman "Wer die Nachtigall stört", sie unterstützte ihn bei der Arbeit an "Kaltblütig", mit dem er das Genre des Tatsachenromans erfand. Capote war nur an einem interessiert, an Stil nämlich, und er schrieb honigsüße Texte, samtweiche Prosa. Man lese nur mal den Jugendroman "Die Grasharfe" oder seine Weihnachtserzählungen. Später buk er Rasierklingen in seine Reportagen, Reiseberichte und Porträts ein und mischte Gift hinzu: "Ihre Erscheinung hatte etwas Verwittertes, Vertrocknetes und Ausgezehrtes, eine Tempelruine, im Urwald zerfallen wie Angkor Wat", schrieb er über Greta Garbo. Auch sein Text über Marilyn Monroe ist toll, wobei ja alles von ihm hervorragend ist, der reine Genuss und unbedingt zu empfehlen.

Capote war 21, als er erste Kurzgeschichten im "Esquire" unterbrachte, und weil sich der lispelnde Junge als Clown gerierte und amüsant erzählen konnte, wurde er der Liebling der Gesellschaft. Die Damen Radziwill, Agnelli und Vanderbilt stießen mit ihm auf die Verfilmung von "Frühstück bei Tiffany" an, sie kamen 1966 zu seinem "Black & White Ball", der heute als Party des Jahrhunderts gilt, weil auch Sinatra und all die anderen da waren.

Capote wollte der Proust Amerikas werden, "Erhörte Gebete" sollte das Leben der oberen Zehntausend im Stil der "verlorenen Zeit" abbilden, es sollte "ein Buch wie eine Pistole" sein. Er gab 1975 drei Kapitel zum Vorabdruck an den "Esquire", und da war es um ihn geschehen, gesellschaftlich war er danach tot. Capote dachte, die Porträtierten würden sich nicht wiedererkennen, aber natürlich wussten sie, dass er über sie schrieb. "Sein Gesicht hat die Form eines Bidets", stand da wenig verschlüsselt über Jerry Zepkin, dessen Lebenswerk darin bestand, berühmte Damen zu Galas zu begleiten. Capote wollte aus Leben Literatur machen, aber er mochte nicht wahrhaben, dass bloßes Mitschreiben nicht ausreicht. Die Millionärswitwe Ann Woodward beging Selbstmord, weil Capote ihre Geheimnisse ausgeplaudert hatte.

"Erhörte Gebete" wurde nie fertig. Capote starb 1984 in Bel Air, in seinem Körper waren mehr Drogen als Blut. Auf seiner Beerdigung hielt der Klarinettist Artie Shaw eine Rede. Er sagte: "Truman ist daran gestorben, dass er das Leben in all seiner Fülle ausgekostet hat."

Info "Truman Capotes turbulentes Leben", Rogner & Bernhard, 496 S., 24,99 Euro

(RP)
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