Die Top 10 Der Kunst Im Rheinland (7) Die Muttergottes des Meisters Stefan

Stefan Lochners Gemälde "Die Muttergottes in der Rosenlaube" ist eines der berühmtesten Bilder des Mittelalters. Es steckt voller Symbole.

Köln Die Menschen des Mittelalters glaubten das, was in der Bibel steht, noch wörtlich. Was uns heute als naiv erscheinen mag, war für sie so real wie ihre Familie, ihr Haus und ihr Vieh. Engel waren für sie ebenso wirkliche Erscheinungen wie der Teufel, und die Künstler jener Zeit sahen ihre Aufgabe darin, ihr Publikum in seiner Haltung zu bestärken.

Zu den berühmtesten Bildern des Mittelalters zählt das nur 51 mal 40 Zentimeter messende Gemälde "Die Muttergottes in der Rosenlaube" von Stefan Lochner, auch unter dem Titel "Die Madonna im Rosenhag" bekannt. Es hängt unscheinbar in der Schausammlung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums und damit in der Stadt, in welcher der aus Meersburg am Bodensee stammende Maler berühmt wurde.

Dass man ihn überhaupt namentlich kennt, ist Albrecht Dürer zu verdanken. Als er sich 1520 gut zwei Wochen in Köln aufhielt, zog es ihn gleich zu einem bestimmten Kunstwerk. Er notierte: "Ich hab 3 weißpfenning, item hab 2 weißpfenning geben von der taffel auff zusperren, die maister Steffan zu Cöln gemacht hat."

Die Kölner Maler signierten ihre Werke nicht. Daher spricht man bis heute vom "Meister des Soundso-Altars", wenn man ein Bild einem Künstler zuordnen will. Auch Stefan Lochner setzte seinen Namen nicht unter seine Werke. Dürers Notiz vom "Meister Stefan" legte allerdings eine Fährte, auf der man sich Lochners Lebenswerk stilkritisch mit großer Sicherheit nähern kann.

Dürer warf damals wahrscheinlich einen Blick auf den monumentalen "Altar der Stadtpatrone", ein Jugendwerk. Die "Muttergottes" dagegen bildet den Gipfel von Lochners Kunst, entstanden um 1445 und damit sechs Jahre vor seinem Tod.

Die Bedeutung dieses Gemäldes liegt nicht nur in der wunderbaren Harmonie seiner Komposition, im Zusammenspiel der Farben und Figuren, sondern auch in der Fülle seiner Sinnbilder. Den Mittelpunkt bildet die vor einer Rasenbank sitzende, in einen leuchtend blau schattierten Mantel gehüllte Maria. Blau war Jahrhunderte lang die kostbarste Farbe, schwer zu beschaffen, weil sich das Ultramarinblau nur aus dem Edelstein Lapislazuli gewinnen ließ, vor allem in Persien und im Hindukusch. Auch andere Maler behielten diese Farbe der Gestalt der Maria vor. Ebenso weist die Bibel den Blautönen eine besondere Bedeutung zu: Zwischen Himmel und Meer verknüpft sie Göttliches, Himmlisches und Irdisches.

Auf Marias Schoß befindet sich das Jesuskind. Es hält einen Apfel in der Hand - vorausweisendes Symbol der Überwindung der Erbsünde durch den Kreuzestod Christi. Engel umgeben das heilige Idyll. Die Flügel des zweiten Engels auf der linken Seite erinnern an die Federn eines Pfaus; der gilt als Symbol der Auferstehung.

Die drei Engel auf der Linken verkörpern das Himmlische, die Dreieinigkeit; die vier Engel zur Rechten bedeuten die vier Elemente Wasser, Erde, Luft und Feuer - das Erdenhafte. Insgesamt umfasst die Komposition sieben Engel - jene Zahl, die Erde und Himmel verbindet.

Damit noch nicht genug der Symbolik: Marias Kopf ist leicht nach rechts geneigt - ein Symbol jungfräulicher Empfängnis. Der Samen Gottes, dargestellt durch eine weiße Taube, die den Heiligen Geist verbildlicht, wird nach damaligem Denken über das Ohr empfangen.

Schlüsselszene ist der Apfel des Jesuskinds. Er ist ihm offenkundig von einem Engel gereicht worden. Die Verbindung vom Himmlischen zum Irdischen drückt die Vorbestimmung Jesu aus: Er ist sterblich, sein Leiden ist vorherbestimmt.

Wie der geneigte Kopf verweist auch Marias Einhornbrosche auf ihre Jungfräulichkeit. Maria sitzt auf einem Teppich aus eingestreuten Erdbeeren, die sich auf den Rasenbänken fortsetzen. Die Farbe Rot gemahnt an die Passion Christi, die dreiteiligen Blätter bringen erneut die Dreifaltigkeit ins Spiel. Und die Lilien hinter Maria sind ein weiterer Hinweis auf Reinheit und Keuschheit.

Von besonderer Bedeutung sind die Rosen im Hintergrund. Einer Legende zufolge hatte die Rose vor dem Sündenfall der Menschen keine Dornen. Und da Maria von der Erbsünde verschont blieb, nannte man sie "Rose ohne Dornen". So verbreitete sich der Bildtypus der "Rosenmadonna" oder "Madonna im Rosenhag". Dafür ist Stefan Lochners Bild ein Beispiel - wie auch die knapp 30 Jahre später entstandene Madonna von Martin Schongauer, ein Altarbild, das sich heute in der Dominikanerkirche Colmar befindet. Die Gegenüberstellung beider Werke zählt zu den klassischen Bildvergleichen der deutschen Kunstgeschichte. Schongauers Komposition wirkt härter, realistischer - vermutlich ein Einfluss der altniederländischen Malerei.

Beide Bilder enthalten Goldpartien. Das echte Gold, das die Maler damals mit speziellen Werkzeugen bearbeiteten, lässt die göttlichen Sphären leuchten.

Zu Lochners Zeit machte die Schildergasse in Köln ihrem Namen alle Ehre. Sie war noch keine Einkaufsmeile der Handelsketten, sondern eine Straße der "schilder", der Maler. In der Nähe der "Schilderjass" war auch Meister Stefan zu Hause - kein armer Künstler, sondern ein angesehener Bürger, Besitzer zweier Häuser, dazu Mitglied des Stadtrats. Die politische Karriere allerdings endete so jäh wie seine künstlerische. 1451 raffte die Pest ihn und seine Ehefrau mitsamt 20 000 weiteren Opfern hinweg.

Nicht nur mit der "Muttergottes in der Rosenlaube" hat sich Stefan Lochner in die Geschichte der Stadt Köln eingeschrieben. Auch im Kölner Dom hat er ein Zeichen hinterlassen. Auf der Mitteltafel seines ursprünglich für die Kölner Ratskapelle geschaffenen "Altars der Stadtpatrone" - der damals noch mumifizierten Heiligen Drei Könige - erscheint die zentrale Figurengruppe der "Muttergottes" ins Monumentale gesteigert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war dieses Bild jenes, das Albrecht Dürer so sehnlich "für 2 Weißpfenning" zu bewundern wünschte.

(RP)
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