Kinofilm "Die Peanuts" in 3D Existenzialismus, aber in bunt

Düsseldorf · Die Peanuts kommen ins Kino, und zwar in 3D. Wer sich fragt, ob so viel technischer Aufwand den feinen Geschichten nicht schade, der sei beruhigt: Die Produktion bewahrt den Zauber der zeitlosen Vorlage. Eine Verbeugung.

Die Peanuts kommen ins Kino
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"Die Peanuts" kommen ins Kino

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Es ist rührend, diesen Film zu sehen. Die "Peanuts" sind ja nicht irgendwelche Comicfiguren, sie sind wie wir, das darf man ohne zu übertreiben wohl sagen, und ihre Abenteuer sind unser Leben. Wer sich nun also diesen Film ansieht, der blickt in einen Spiegel.

Dabei mag man sich zunächst fragen, ob das wirklich sein muss, die Peanuts in 3D. Ob da nicht viel verloren geht vom Charme der einfachen Bildergeschichten, die der im Jahr 2000 gestorbene Charles M. Schulz von 1950 an veröffentlichte. Doch die Modernisierung schadet dem Stoff nicht. Der episodisch angelegte Film wirkt wie ein "Best of" der bekannten Motive und Figuren; da wurde liebevoll collagiert und kompiliert, und man begegnet allem und allen gerne wieder. Manches gerät zwar zu lang, etwa die Traumsequenzen, die Snoopy als Flieger-Baron im Ersten Weltkrieg zeigen. Manches ist auch ein bisschen konstruiert, etwa die Geschichte mit dem Schultest, bei dem ausgerechnet Charlie Brown als einziger die volle Punktzahl erreicht haben soll. Der Vorzug dieses Films ist jedoch, dass er den Kern der Geschichten hegt und pflegt, dass er ihren Zauber bewahrt.

Die Peanuts leben in einem eigenartigen Zustand. Es ist die immerwährende Kindheit in der Vorstadt, aber eine Kindheit, die nach der Reife kommt. Das Verhalten dieser weisen Kinder spiegelt die Probleme der Erwachsenen, von denen man nur gelegentlich ein Bein sieht oder einen Arm, und wenn die Erwachsenen mal reden, kann man sie nicht verstehen, denn statt ihrer Stimmen hört man lediglich das Tröten einer Posaune. Genau genommen ist das scheinbare Paradies der Peanuts - das Geworfensein in seine Zeit-, Ort- und Ausweglosigkeit - also die Hölle. Und tatsächlich gibt es kluge Menschen wie Umberto Eco, die Beckett, Sartre und Camus zitieren, um das Phänomen Peanuts zu erklären. Existenzialismus, aber in bunt.

Das Großartige an dieser Gruppe kindlicher Freunde ist nun, dass sie den Umständen beherzt trotzen, indem sie hoffen. Es gibt eine herrliche Szene in diesem neuen Film, da öffnet Charlie Brown am Morgen seinen Kleiderschrank. Darin hängen ausschließlich die berühmten gelben T-Shirts mit dem braunen, gezackten Streifen, wohl ein Dutzend davon. Statt einfach eins herauszugreifen, steht Charlie Brown da und überlegt; er zerbricht sich den Kopf darüber, welches er denn nehmen soll, und dann fischt er eines heraus, und es ist das richtige. Schöner kann man nicht ins Bild bringen, wie das ist, als Mensch einen neuen Tag zu beginnen und so zu tun, als habe man eine Wahl.

 Immerwährende Kindheit in der Vorstadt: Charlie Brown mit Hund im Kinofilm "Die Peanuts"

Immerwährende Kindheit in der Vorstadt: Charlie Brown mit Hund im Kinofilm "Die Peanuts"

Foto: Twentieth Century Fox/dpa, sab

Die Charaktere, die den Peanuts-Figuren als Vorbilder dienen, hat fast jeder Mensch in seinem Bekanntenkreis. Jeder kennt eine Lucy und einen Schroeder. Glücklich zudem, wer auch eine Peppermint Patty kennt, und fast jeder hat wie Charlie Brown mehr Erfahrung mit dem Verlieren als mit dem Gewinnen. Man kann zudem so ziemlich jede mythische Figur in diesen Comics wiederfinden, am häufigsten aber Sisyphos. Leben ist ein stehender Sturmlauf; es geht darum, es wieder zu versuchen, wieder zu scheitern, besser zu scheitern. Leben heißt auch, beharrlich der Erinnerung ans Paradies nachzuspüren, und das tun Charlie Brown und seine Freunde. Falls es doch mal allzu hart kommen sollte, ist da immer noch die Schmusedecke von Linus. Die heißt im amerikanischen Original übrigens "safety blanket", Sicherheitsdecke also: Sie schützt vor der Zudringlichkeit der Realität.

"Die Peanuts" im Kino: Hoch lebe Charlie Brown
Foto: dpa

In dieser menschlichen Komödie ist Charlie Brown derjenige, der nicht aufhört, nach Zärtlichkeit und Zustimmung zu suchen, nach dem Gelingen. Er trifft den Football nie, seine Drachen bleiben nicht in der Luft. Aber er probiert es wieder. Sein Sehnen gibt ihm die Transzendenz, die der Mensch zum Weitermachen braucht, und personifiziert wird das Ziel dieses Trachtens in der Figur des kleinen rothaarigen Mädchens, in das sich Charlie Brown verliebt hat. Es ist bei den beiden wie mit dem Esel und der Möhre: Er rennt ihr auf ewig hinterher und erreicht sie nicht, und dass er überhaupt rennt, liegt an der Möhre, und ohne die Möhre gäbe es keine Bewegung. Esel und Möhre, so tragisch ist der Alltag - und so absurd und lustig. Das kleine rothaarige Mädchen ist Projektionsfläche für alles Schöne, für das Ideal, die Rückkehr ins Paradies. Sie ist die Tür ins Glück, sie ist alles, was nie der Fall sein wird, der Traum von der besseren Welt, vom besseren Selbst.

Im neuen Film kommt Charlie Brown dem kleinen rothaarigen Mädchen sehr nahe, und das sind vielleicht die schönsten Stellen dieser Produktion. Ein bisschen schade ist allerdings, dass man das Mädchen nun tatsächlich sieht, dass der Schleier fällt und es ein Gesicht hat, obwohl die Comics es stets bei einem Schemen belassen haben. Dort blieb das kleine rothaarige Mädchen bewusst ein Phantom, weil ja jeder ein anderes Gesicht vor seinem inneren Auge hat, wenn er an das Glück denkt.

Man kann es ganz gut aushalten in dieser Welt, man kann sich einrichten in der Verzagtheit, wenn man so aufrichtig wie die Peanuts lebt und sich Arglosigkeit und Naivität bewahrt. Das ist die Lehre des Charles M. Schulz: Man braucht eigentlich nur Humor, Freundschaft und eine Schmusedecke. Wer weiß, vielleicht zieht Lucy den Football eines Tages nicht mehr weg, vielleicht bleibt der Drache tatsächlich am Himmel. Und vielleicht reicht einem das kleine rothaarige Mädchen die Hand.

(hols)
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