Die Strategie der nationalen Größe

Am Beispiel China zeigt Michael Paul neue Perspektiven der Weltpolitik.

Michael Paul ist einer der führenden Wissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik. In seinem Buch "Kriegsgefahr im Pazifik?" schildert er nicht nur die Entwicklung der sino-amerikanischen Rivalität im pazifischen Raum. Er entwickelt darüber hinaus ein Modell zur Erklärung aktueller weltpolitischer Entwicklungen, das es in sich hat. Im Mittelpunkt steht dabei der Begriff der "strategischen Kultur", also der Basis der neuen chinesischen Außenpolitik unter Partei- und Staatschef Xi Jinping.

"Strategische Kultur", der Begriff wird uns in den nächsten Jahren noch öfter begegnen, und das nicht nur, weil der französische Staatspräsident ihn in seiner Sorbonne-Rede ausdrücklich aufgegriffen hat. Darin finden sich "konfuzianische und realpolitische Einflüsse". Zugleich ist die Schaffung einer solchen Kultur ein bewusster Willensprozess. Paul bezieht sie allerdings nur auf den Einsatz militärischer Mittel, während er im Unterschied dazu unter "Großstrategie" die "Planung des langfristigen Vorgehens eines Staates" versteht, die "nationale und internationale Aspekte, eine Wirtschaftsstrategie, eine Militärstrategie usw." umfasst. Am Beispiel China schildert er, wie das Land nach der Aufbauphase unter Deng Xiaoping sich langsam aus alten Fesseln löste und, im Kontrast zu dieser Vorphase, immer selbstbewusster inzwischen sogar Zeitpläne für die Umsetzung dieser Strategie aufstellt, wie der letzte Parteitag der Kommunistischen Partei im Herbst letzten Jahres zeigte.

Von den acht Kapiteln befassen sich die ersten beiden mit dem Thema der "strategischen Kultur", dem innovativen Kern des Buches, ein Kapitel mit den Perspektiven der sino-amerikanischen Rivalität, zwei mit deren Wahrnehmung durch die USA und der Schwerpunktverlagerung amerikanischer Politik nach Asien. Drei Kapitel handeln das Thema im engeren Sinne ab, indem sie sich mit Akteuren und Instrumenten chinesischer Sicherheitspolitik, chinesischen Abschreckungsstrategien und mit maritimen Konflikten im asiatisch-pazifischen Raum befassen. Und vor allem gibt es auch ein Teilkapitel, das der Frage nachgeht, "warum das alles für Deutschland wichtig ist".

Eine Übersicht zu Quellen von Beiträgen und Blogs im Internet rundet ein Buch ab, das nicht nur zu den besten politikwissenschaftlichen Monographien gehört, die in jüngster Zeit im deutschen Sprachraum veröffentlicht wurden. Es überrascht nicht, dass vier Karten den pazifischen Raum mit seinem Konfliktpotenzial verdeutlichen. Und mit seinem innovativen Ansatz der "strategischen Kultur" gehört es zu den seltenen Veröffentlichungen, die nicht nur gut informieren, sondern auch Entwicklungen durch die Darstellung neuer Perspektiven anstoßen können.

(RP)
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