Die syrische Todesmaschinerie

Eine französische Journalistin dokumentiert die Arbeit eines Militärfotografen.

Es ist furchtbar, dieses Buch zu lesen. Manchmal sogar unerträglich. In "Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie" beschreibt die französische Journalistin Garance Le Caisne die Geschichte eines ehemaligen Militärfotografen in Damaskus. "Caesar", wie er aus Sicherheitsgründen genannt wird, hatte eine grausame Arbeit: Er musste verstümmelte, entstellte Leichen in den Folterkellern des Assad-Regimes fotografieren.

Drei Jahre lang tat er dies - unter Qualen. Doch der Archivar des Schreckens heftete die Bilder nicht nur in die Ordner für die Schergen, sondern kopierte alles unter Lebensgefahr und schmuggelte die USB-Sticks im Schuhabsatz und im Gürtel hinaus.

Im Buch schildert der Augenzeuge die brutale Akribie, mit der die Soldaten für die Staatsbürokratie tätig sind: "Zu Beginn trug jede Leiche einen Namen. Nach einer Weile, es müssen ein paar Wochen oder Monate gewesen sein, hatten sie keine Namen mehr, bloß Nummern. In der Leichenhalle des Krankenhauses zog ein Soldat sie aus den Kühlschränken und legte sie auf den Boden, damit sie fotografiert werden konnten, bevor sie zurück in die Kühlschränke kamen."

50.000 Fotos zeugen von unfassbaren Grausamkeiten. Als Militärfotograf hat "Caesar" den täglichen Horror in den Gefängnissen und Krankenhäusern (!) des Geheimdienstes erlebt: "Nie zuvor hatte ich so etwas gesehen. Vor der Revolution folterten die Mitglieder des Regimes, um an Informationen zu kommen. Heute foltern sie, um zu töten. Ich habe Kerzenspuren gesehen. Einmal war der Abdruck einer Heizplatte zu erkennen, wie man sie benutzt, um Tee zu erhitzen. "

Die Folterknechte sind sich ihrer Sache sehr sicher. "Die Sicherheitsdienste leben in dem unerschütterlichen Gefühl der völligen Straffreiheit ihres Tuns. Dass man sie eines Tages für ihren Machtmissbrauch zur Rechenschaft ziehen könnte, kommt ihnen keinen Augenblick in den Sinn. Sie wissen, wie einflussreich die Kräfte sind, die das Regime stützen", erzählt "Caesar".

Die Macht von Präsident Baschar al Assad sorgt auch unter den Geflohenen im Ausland für Schrecken. "Caesar" hat immer noch Angst und versteckt sich unter falschen Namen in Nordeuropa. Nur unter großer Geheimhaltung ist es der Autorin gelungen, Kontakt mit dem "Archivar des Grauens" aufzunehmen. 40 Stunden hat er schließlich geredet und seine unfassbaren Erlebnisse geschildert. Ganz nüchtern, ganz sachlich - die Fakten reichen, den Horror zu beschreiben.

Für Le Caisne sind die Fotos erdrückende Beweise für den Mord des Regimes am eigenen Volk. Das FBI hat die Echtheit bestätigt. Nach Schätzungen sind seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 120.000 Menschen in syrischen Gefängnissen verschwunden. Die Journalistin denkt angesichts dieser Zahlen und der ausgemergelten Körper an die Judenvernichtung durch die Nazis. Umso schlimmer sei es, dass die internationale Gemeinschaft bisher nicht dagegen vorgehen könne.

Doch die Mühlen der Justiz drehen sich schon. Internationale Juristen, die bereits in Ex-Jugoslawien, im Irak und Ruanda tätig waren, sichern Beweise. Sie suchen Familien von Opfern, deren Fotos sich in der Akte Caesar finden und die bereit sind, Anklage zu erheben. Der Fotograf möchte das Grauen vergessen - und dass die Mörder verurteilt werden. Den Lesern wird dieses Buch lange im Gedächtnis bleiben.

(RP)
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