Die Tage vor Pearl Harbor

Agententhriller "Shanghai"

Er ist ein wenig aus der Mode gekommen, der klassische Agententhriller. Derzeit setzt das Kino eher auf die großen Action-Schinken, jagt das Böse mit der Keule, auf dass ganze Großstädte gesprengt, Landstriche verwüstet werden. Da entlädt sich einige Wut in pompösen Zerstörungsfantasien.

Wie viel feinsinniger ist der Agententhriller, mit seinen smarten Ermittlern, die sich auf eigene Faust durch morbide Metropolen bewegen, geschmeidig, undurchsichtig, verführerisch, bis ihr doppeltes Spiel eine Wendung zu viel nimmt und Ahnungslose tragisch zu Tode kommen. Das Genre ist stets verknüpft mit dem Porträt von Städten, Wien, Berlin, New York gaben stets großartige Nacht-Kulissen für Agentenkrimis ab.

Nun ist Shanghai an der Reihe. Wenige Wochen vor der japanischen Attacke auf Pearl Harbor im Dezember 1941 ist die Stadt ein düsteres Spionage-Zentrum. Chinesen, Japaner, Amerikaner, Deutsche belauern sich gegenseitig, während sich vor der Küste Kriegsflotten formieren. Um einem Freund auf diesem unübersichtlichen Terrain zur Seite zu stehen, kommt der amerikanische Spion Paul Soames nach Shanghai, getarnt als nazifreundlicher Journalist. Bald kreuzen schöne Asiatinnen seinen Weg, doch seinem Freund kann er nicht mehr helfen, er liegt schon erstochen in einem Hinterhof. Der schwedische Regisseur Mikaël Hafstrom setzt das alles hübsch düster in Szene, doch erfüllt er nur brav die Klischees des Agententhriller-Genres, eine Modernisierung gelingt ihm nicht.

Dazu hat er mit John Cusack einen langweiligen Hauptdarsteller, der sich müde durch den Film schleppt und seine eigentlich doch reizvolle Rolle als Doppelagent zwischen Nazideutschland und den USA an keiner Stelle schillern oder gar bedrohlich werden lässt. Auch das Wiedersehen mit Franka Potente in einem großen Hollywoodfilm macht keine rechte Freude. Sie ist jetzt halt die Nazi-Deutsche, heißt Leni Müller und spielt auch so.

Von Shanghai nach Pearl Harbor zu blicken in die Welt der Spione, die vor einem Angriff dieser Art im Sondereinsatz sind, ist eigentlich ein guter Gedanke. Herausgekommen ist aber nur ein solider Agententhriller, wie man sie früher öfter mal sah. ll

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort