Düsseldorf Die Welt ist sein Abenteuerspielplatz

Düsseldorf · Harrison Ford hat angekündigt, noch einmal den Indiana Jones zu spielen. Auch im fünften Teil der Reihe wird Steven Spielberg Regie führen, Kinostart ist 2019. Viele machen sich nun über das Altherrentreffen lustig. Warum bloß?

Harrison Ford wird jetzt bei Twitter sehr heftig verspottet. Man sieht da ein Szenenfoto, auf dem er in einer Höhle fast von einem Felsbrocken erdrückt wird. Untertitel: "Indiana Jones auf der Flucht vor dem Gallenstein". Das ist natürlich ganz lustig, aber auch ein bisschen wohlfeil. Denn jemand, der seine Lebenszeit damit vergeudet, solche Sachen ins Internet zu stellen, ist viel kindischer als alle, die sich tatsächlich auf den neuen "Indiana Jones"-Film freuen.

Gestern hat Walt Disney+ angekündigt, Harrison Ford werde zum fünften Mal seine Paraderolle übernehmen. Regie führt Steven Spielberg, der Film soll 2019 ins Kino kommen - Ford wird dann 77 Jahre alt sein. Wer meint, das sei aber ein bisschen arg für einen Abenteurer, hat den Kern der Reihe nicht erfasst. "Indiana Jones" hatte stets etwas Augenzwinkerndes. Bestes Beispiel ist Teil drei, "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" (1989), mit Sean Connery als Fords Vater. Die Figuren nehmen einander aufs Korn, Connery ist nur zwölf Jahre älter als Ford, aber er sitzt wie ein Großvater im Beiwagen des Motorrads, und als der Film-Sohn ihn vor Hitlers Schergen bewahrt und blutend zurückkehrt, sagt Connery bloß: "Und das nennst du nun Archäologie."

George Lucas und Steven Spielberg haben sich die Reihe ausgedacht, 1979 war das, bei einem gemeinsamen Urlaub auf Hawaii. Lucas war schon ein Held damals, er hatte "Star Wars" erfunden, er war der Guru des neuen Hollywood, und er produzierte Serien fürs Kino, das war neu. Spielberg galt als Talent, "Der weiße Hai" hieß sein Hit, er war hungrig, er wollte weitermachen, Filmedrehen war für ihn ein Spiel. Man trank Cocktails, der Strand lag da, man war locker, das Duo schrieb in der Sonne.

Lucas brachte die existenzielle Schwere ins Drehbuch ein, sein Indiana Jones sucht ja ständig etwas, den Vater, die Frau, die Erleuchtung, das Gute, die Bundeslade. Spielbergs Anteil dürfte das Staunen sein, sein Lebenswerk besteht im Grunde darin, dass er es dem Zuschauer ermöglicht, stets mit den Augen eines Neunjährigen auf die Welt zu blicken. Sein Kino beginnt, wo man als Kind am Sonntagnachmittag mit gepackter Überlebenstasche aus dem Haus ging: Bei Spielberg tritt alles ein, auf das man gehofft hat, bei ihm landet wirklich ein Raumschiff vor unseren Füßen.

Die beiden fanden in Harrison Ford den idealen Hauptdarsteller - obwohl George Lucas eigentlich Tom Selleck engagieren wollte. Der war indes bei "Magnum" unabkömmlich, und auch Kandidat Nummer zwei sagte ab: Nick Nolte wollte so einen infantilen Helden lieber nicht spielen. Also Harrison Ford. Den früheren Zimmermann hatte Lucas 1976 bereits als Weltraum-Cowboy Han Solo in "Star Wars" besetzt. Ford wurde dann so etwas wie der Cary Grant seiner Generation. Er war der erste Schauspieler, der 20 Millionen Dollar Gage für einen Film bekam - als US-Präsident in Wolfgang Petersens "Air Force One" von 1997. Und als die Studiobosse 2008 an ihn herantraten und für einen vierten Teil von "Indiana Jones" warben, forderte er 40 Millionen. Man gab ihm sogar 42 Millionen, was aber völlig okay war, denn die Produktion spielte 787 Millionen ein. Harrison Ford hat den Bilderschatz der populären Kultur bereichert wie kaum ein anderer Schauspieler seit den 70er Jahren. Man kann das bei einem Gang durchs Kinderzimmer überprüfen: Han Solo und Indiana Jones gibt es sogar als Lego-Männchen.

Auch zu seinen besten Zeiten hatte er nicht diese Schauspiel-Superstar-Attitüde wie Robert De Niro oder Al Pacino. Sein Ruhm fußt im Alltäglichen. Er ist der Stellvertreter der Zuschauer, charmanter natürlich und attraktiver, aber doch ebenso überfordert von den Fährnissen des Lebens. Und wie man jetzt sieht, ist er im Gegensatz zu vielen Kollegen geradezu in Würde gealtert - egal, wie der neue "Indiana Jones" wird, tiefer als De Niro im Gürtellinien-Limbo "Dirty Grandpa" kann man nicht sinken.

Ford geht als Indiana Jones stets ein bisschen missmutig auf Reisen, darin liegt der Reiz des Ganzen, er ist kein Berufs-Fighter wie Stallone oder Schwarzenegger, sondern im Kern ein Zauderer wie wir. Er prügelt sich nur deshalb, weil er einen höheren Auftrag hat, und meist seufzt er vor dem ersten Fausthieb. Er ist Professor in den 30er Jahren des 20. Jahrhundert, und sein Einsatzort ist nun mal nicht nur der Hörsaal, sondern auch die Wüste, der Dschungel oder die Unterwelt.

Beim ersten Teil, der 1981 ins Kino kam, hätte George Lucas gern selbst Regie geführt, er konnte aber nicht, die nächsten "Star Wars"-Episoden standen an. Spielberg übernahm, er hatte 74 Tage Zeit und 20 Millionen Dollar Budget, und das war schon damals für Produktionen dieser Größe eher wenig. Spielberg aß morgens einen Egg McMuffin, diesen Kalorien-Oschi von McDonald's, damit kommt man gut über den Tag. Der Film spielte dann übrigens 384 Millionen Dollar ein.

Spielberg entwickelte auch die Markenzeichen der Serien: Wer Peitsche, Fedora-Hut und Lederjacke sieht, denkt seitdem an Harrison Ford. Es gibt die wiederkehrenden "Indy"-Elementen, das Seemannsgarn dieser Reihe: auslaufendes Benzin etwa, das auf Indiana Jones zukommt, während der eine Fackel hält. Angst vor Schlangen. Oder der Kampf auf einem Gefährt, das auf einen Abgrund zurast. Es ist die Dramaturgie der Rettung in letzter Sekunde, die hier ausgereizt wird.

Indiana Jones ist ein Held, seine Leistung könnte größer kaum sein: Er rettet den Zuschauer vor dem Erwachsenwerden. Das Schönste sind denn auch die Animationen, die man immer sieht, wenn die Hauptfigur reist: Ein Trickfilm-Flugzeug folgt einer roten Route über eine gezeichnete Landkarte. Vielleicht ist es das, was einen heute so wehmütig macht: Die ganze Welt ist hier noch ein Abenteuerspielplatz.

(hols)
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