Donnerwetter!

In der Bundeskunsthalle gibt es den aktuellen Wetterbericht aus künstlerischer wie aus wissenschaftlicher Sicht: Die neue Ausstellung ist eine Wunderkammer mit Kunst, Korallen, Messgeräten und einem Faradayschen Käfig.

"Morgendämmerung - Dawn". Was für schöne Worte. Welch kostbarer Moment des Tages. Tautropfen haben sich auf Tannenspitzen gelegt, bald wird die Sonne sie auflösen. Und der Tag schiebt die Morgendämmerung weg. Mit aller Macht. Diesem feinen Moment am Morgen gehört das Präludium in der Bundeskunsthalle. Der ersten Station von zwölf, dem Tageslauf nachempfunden. Mit Kunst, Technik und Wissenschaft ausgeleuchtet.

"Wetterbericht. Über Wetterkultur und Klimawissenschaft" heißt die originelle Ausstellung, die aus künstlerischer, kulturgeschichtlicher und wissenschaftlicher Sicht einen überraschenden Zugang zum Thema Wetter bietet. In eine riesige Wunderkammer wurden die Museumsräume verwandelt mit Hunderten Exponaten von höchster Qualität: Gemälde, Skulpturen, Fotografien, steinerne Zeugnisse und Votiv-Tafeln, einzigartige Messgeräte, Schirme und Zeugnisse menschlicher Zivilisation, die von dem oft feindlichen Verhältnis zwischen Mensch und Wetter geprägt sind. Darunter findet sich eine Zange zur Amputation von abgefrorenen Zehen. In einer Vitrine steht der Fußballschuh von Fritz Walter, der dank seiner damals neu erfundenen Regenstollen Deutschland die Weltmeisterschaft ermöglichte. Und selbst die abgewetzte Lederjacke von Rudi Dutschke ist museumsreif geworden. Als vielleicht banales Symbol dafür, dass man in kalten Zeiten eine wärmende Jacke braucht.

Zur spielerischen Interaktion laden zahlreiche Orte und Stationen Besucher jeden Alters ein. In der Wetterküche lässt sich das Weltwetter mit einem Joystick animieren, erleben und aktuell abrufen. Im Wetterstudio der ARD erklärt Karsten Schwanke, wie Tricktechnik funktioniert in der Wettershow im Fernsehen. Der Diplom-Meteorologe, der auch Berater des Kuratoren-Teams war, macht an jeder der zwölf Stationen eine Video-Ansage. Das meiste, was er mitteilt, ist wie das Wetter launig. Es stammt aus dem Lexikon des Aberglaubens.

Publikumsmagnet der schon am Morgen sehr besuchten Ausstellung ist ein faradayscher Käfig, aus dessen Richtung sich das grollende Dauer-Donnerwetter über die Ausstellung legt. Er ist die Attraktion mit langen Warteschlangen. In der Schule hat man gelernt, dass in einem solchen von Metall umgebenem Raum der Mensch vor Blitzschlag geschützt ist. Jede halbe Stunde kann man seinen im Metallhandschuh verpackten Arm in den Kasten hineinstecken. Dann muss man warten, um dem Blitz bildlich die Hand reichen zu können. Zusätzlich setzt man Kopfhörer auf. Klingt aufregend und einfacher, als es ist. Wenn sich die Blitze mit Riesenlärm im Dunkel entladen und ihre zackigen weißen Formen ins Schwarz jagen, erschrecken die meisten Besucher so sehr, dass sie schnell den Arm zurückziehen.

Das Wetter will man in Bonn erlebbar machen in seiner Faszination und Dimension. Eine Ausstellung, die nach dem Willen von Kurator Stephan Andreae berühren und erklären soll, dabei ein großer Spaß sein darf und am Ende doch lehrreich ist und nachdenklich stimmt.

Leitmotivisch ist der erste Raum dazu angereichert mit großer und kleinerer Kunst. Gerhard Richters sechsteilige Ölbildserie "Ohne Titel (Wolken)" zeichnet fein das Helle und Dunkle des Himmels nach - ein einziges Schimmern in Gelb, Grün, Blau und Braun hat der deutsche Wolkenmaler auf Leinwand gebracht. Stimmung pur. Winzig klein hingegen das Glasobjekt in der Vitrine, das uns irgendwie auch ermahnen will: 100 Tränen hat Konzeptkünstler Jochem Hendricks verweint und in einem Glas verschlossen - die kleine kannenförmige Skulptur auf Samt gesetzt. Wasser, so lernen wir von Kurator Stephan Andreae, hat die erstaunliche Eigenschaft, sich unter vier Grad Celsius auszudehnen. Damit vergrößert sich sein Volumen, während die Dichte abnimmt. Dieses Phänomen bedingt, dass Eisberge nicht untergehen, da Eis eine geringere Dichte als flüssiges Wasser aufweist.

Das Aufschwimmen der Eisschollen ist mit ein Grund, warum das arktische Klima so sensibel ist. Denn die Farbe Weiß strahlt zurück, die dunklen Meere jedoch weitaus weniger. Schmilzt das Meereis weiter, kann das System kippen und sich die Antarktis überproportional erwärmen. "Diese merkwürdige und anomale physikalische Eigenschaft des Wassers ist eine fundamentale Basis für viele Begebenheiten, die wir als Wettergeschehen wahrnehmen", so der Kurator.

Man könne Hendricks' Tränen auch als poetisch geformten Jammer über den Zustand der Erde deuten. Friedensnobelpreisträger Al Gore hat schon 2007 ausgerufen: "Wir Menschen haben es mit einem globalen Notfall zu tun. Die Erde hat Fieber. Und das Fieber steigt."

Zu allen Zeiten haben Menschen sich mit dem Wetter auseinandersetzen müssen. Das Wetter hat Macht über Laune und Gesundheit, es bestimmt über wirtschaftliche Ernteerfolge und provoziert Katastrophen. Der uralte Menschheitstraum, Regen zu machen oder Wärme zu produzieren, wird niemals in Erfüllung gehen. Das Wetter hat uns in der Hand, und es ist unser liebstes Gesprächsthema an jedem Tag.

Wie Menschen über die Jahrtausende sich mit dem Wetter arrangiert haben, ist spannend in Szene gesetzt. Ein Wettergott der Hethiter wurde 900 v. Chr. in Basalt gemeißelt, ihm zur Seite blicken wir auf Zeus, den Herrscher mit Blitz und Donner (470 v. Chr.). Auch die Heiligen Barbara und Petrus sind vertreten sowie ein Regenmacher aus Papua-Neuguinea. Dazu schaut man auf die Messgeräte - geborgen aus vor-digitalen Zeiten: Sonnenuhren, Thermometer, eine Staubkornwaage, eine Vakuumluftpumpe, ein Haarhygrometer, ein Regenmesser oder ein Aspirationspsychrometer.

Die Schau lebt wie das Wetter vom Wechsel, prächtige Gemälde von Constable, Spitzweg, Turner und Modersohn sind aufgereiht, Winter- und Himmellandschaften. Dazu Fotokunst von Andreas Gursky oder dem Südafrikaner Pieter Hugo, der Widerstand als Überlebensform thematisiert. Warum es ohne Wetter weder Geruch noch Musik gibt, lernen wir in Auseinandersetzung mit Nasen und einem echten Saxofon. In der Station Abenddämmerung steht auf die Wand gedruckt die ermutigende Parole des französischen Präsidenten Macron, der 2017 sagt: "Make our planet great again".

(RP)
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